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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dauernd, es ist nicht so wichtig. Bitte lass es gut sein.«
    Ben schwieg eine ganze Weile. Dann zog er sein Telefon aus der Tasche. »Ich werde es anzeigen«, sagte er. »Wer immer das getan hat, mit dem muss ein Wörtchen geredet werden.«
    »Nein!« Sie warf sich über den Tisch und wollte sich auf das Telefon stürzen.
    Er drehte sich weg und hielt das Handy außer Reichweite. »Dann sag mir, wer es war. Sonst rufe ich an.«
    »Bitte, Ben.« Sie würde jetzt ganz bestimmt anfangen zu weinen. »Mein Gott. Lass es einfach – bitte.« Sie schob ihren Stuhl mit lautem Scharren zurück und stand auf. Alles wurde ihr wie in einem Strudel aus der Hand gerissen und geriet außer Kontrolle. »Nur bitte, bitte …«
    »Bitte was?«
    »Bitte tu’s nicht«, flehte sie. »Ruf niemanden an.«

37
    Sally fühlte sich wie ein zum Zerreißen gespannter Draht. Sie vibrierte vor Anspannung, und ihre Zähne klapperten beim Fahren, als friere sie. Die dunklen Wolken hingen noch tiefer und ließen einen feinen, fast unsichtbaren Nieselregen herabrieseln, aber als sie an der Schule ankam und die erleuchteten Fenster sah, hellte das ihre gedrückte Stimmung ein wenig auf. Die Schule sah so anheimelnd aus, so normal, dass es ihr beinahe die Kehle zuschnürte. Diese Normalität – die schlichten, nicht weiter bemerkenswerten Umstände geschlossener Türen, brennender Lampen, Mäntel an Haken und schmutziger Berge von Hockeystiefeln – würde es für sie vielleicht nicht mehr lange geben. Vielleicht war ihr dieses Reich für alle Zeit verschlossen.
    Sie wählte Millies Nummer und erwischte sie in der Nachmittagspause. Sie könne sich für ein paar Minuten hinausschleichen, sagte das Mädchen – niemand werde etwas merken. Sally wartete am Schultor und hielt ihren Schirm fest umklammert. Unwillkürlich sah sie sich auf der Straße um und vergewisserte sich, dass niemand ihr folgte. Sie war nicht gut darin, etwas zu verbergen – sie hatte keine Ahnung, wie andere Leute das machten.
    »Hallo, Mum.« Millie strahlte, aber als sie das Gesicht ihrer Mutter sah, verging ihr das Lächeln. »Oh. Alles okay?«
    »Ja. Bei dir auch?«
    »Bei dir offensichtlich nicht. Was ist los?«
    »Nichts.« Ihr Blick wanderte über Gesicht und Haar ihrer Tochter, und sie sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen. Am liebsten hätte sie Millie gepackt und weggeschleppt, irgendwohin, weit weg. Sie schluckte angestrengt und fragte im Plauderton: »Wie ist der Test gelaufen?«
    »Ach, beschissen. Ich hab die falschen Seiten im Buch gelernt. Blöd …«
    »Nach der Schule heute Nachmittag hast du Hausaufgabenbetreuung, stimmt’s?«
    »Ja, bis fünf. Warum?«
    »Weil ich nicht möchte, dass du heute Abend allein nach Hause fährst. Ich rufe deinen Dad an; er soll dich abholen.«
    »Kann er nicht. Er ist in London.«
    »Dann Isabelle.«
    »Die ist auf dieser Gymnastiktagung mit Sophie. In Liverpool. Aber das ist okay, Mum – ich nehme den Bus. Mach dir meinetwegen keine Sorgen, ich …«
    »Nein! Herrgott noch mal, würdest du bitte zuhören . Ich habe gerade gesagt, du wirst nicht allein nach Hause fahren.«
    Millie klapperte erschrocken mit den Lidern. Einen Moment lang sagten sie beide nichts. Sallys plötzlicher Ausbruch machte sie verlegen. Hinter der Mauer hörte man das Quieken und Kreischen der anderen Schüler. Sie alle glaubten, sie seien erwachsen, dachte Sally, und sie glaubten zu wissen, was sie taten. Aber sie waren es nicht, und sie wussten es nicht. In Wirklichkeit waren sie noch Babys. Unvermittelt fuhr ein Auto vorbei und bremste kreischend, und Sally fuhr zusammen, als habe man auf sie geschossen.
    »Mum?« Millie sah sie neugierig an. Misstrauisch. »Was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    »Dann hol du mich doch von der Schule ab, wenn du dir solche Sorgen machst. Hast du heute nicht früher Feierabend? Hast du doch meistens.«
    »Ich gehe nicht zur Arbeit. Ich hab zu tun.«
    »Du hast zu tun? Was musst du tun?«
    »Ist doch egal.« Sally legte eine Hand an den Kopf und drückte fest zu. Sie dachte an Peter Cyrus’ Mutter und verwarf den Gedanken wieder. Wen sonst konnte sie fragen? Wem sonst konnte sie vertrauen?
    »Mum? Geht es um das, was wir heute Morgen besprochen haben? Geht es wieder um dieses Metalhead-Muppet? Warum hast du so viel Angst vor ihm?«
    »Hab ich gar nicht. Es geht nicht um ihn. Bleib nach der Hausaufgabenaufsicht einfach in der Schule, ja? Ich sorge dafür, dass jemand kommt und dich abholt.«
    »Jetzt komm – da stimmt

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