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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ob dieses Ding beim letzten Mal offen oder zu war. Ich hab’s nicht geprüft.«
    Sally richtete sich auf, drückte sich die Hände ins Kreuz und bog sich leicht zurück, um die verspannten Muskeln zu dehnen. »Warum? Glaubst du, da war was drin?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ja. Dann ist es jetzt weg. Mit dem Land Rover weggeschafft.«
    »Was sollte das sein?«
    Zoë klopfte sich den Staub von den Händen. Sie betastete vorsichtig ihre Nase und schaute hoch. Die Wolken, die sich den ganzen Tag über am Horizont herumgetrieben hatten, waren inzwischen fast unbemerkt über den Himmel gezogen und hatten sich zu einer dünnen, undurchsichtigen grauen Decke gedehnt. Die Lufttemperatur schien um ein paar Grad gesunken zu sein, fast so, als habe der Winter es sich anders überlegt und komme zurück, um die Welt wieder in Besitz zu nehmen.
    »Zoë?«
    Sie sah Sally an, und ihre Augen waren sehr dunkel und ernst. »Nichts«, sagte sie. »Nichts, was dir Sorgen machen müsste.«

36
    Es hatte einigen Mut gekostet, ihr Gesicht im Spiegel anzuschauen, aber zumindest war ihre Nase nicht gebrochen. Dessen war sie sicher, und als sie das Blut davon abgewaschen hatte, stellte sie fest, dass sie einfach nur dick aussah – als wäre sie so zur Welt gekommen: mit einer dicken Nase und kleinen Augen. An ihrer Oberlippe war eine Platzwunde, die konnte man jedoch auch für einen entzündeten Herpesinfekt halten. Trotzdem sah sie seltsam aus in Sallys Sachen. Sie waren zu kurz und in der Taille zu weit. Nach ihrem Besuch bei Kelvin hatten sich die beiden Frauen für eine Weile getrennt – Sally wollte mit Millie sprechen, und Zoë wollte nach Hause, um sich ein bisschen herzurichten, bevor sie sich wieder trafen und den nächsten Schritt ihres Plans in Angriff nahmen. Sie würden Philippa Wood besuchen.
    Zoë parkte vor ihrem Haus, überprüfte den Sitz ihrer Sonnenbrille für den Fall, dass irgendwelche Nachbarn zu Hause waren, stieg aus und ging zur Haustür. Sie hatte den Schlüssel ins Schloss geschoben, als sie hinter sich eine Stimme hörte.
    »Zoë?«
    Sie drehte sich um und sah Ben den Weg heraufkommen.
    »O nein«, murmelte sie. »Nicht jetzt.«
    Sie trat schnell ins Haus, drehte sich um und wollte die Tür zuschlagen, aber er war schon da und drückte mit der Hand dagegen.
    »Zoë? Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
    »Geht dich nichts an.« Sie versuchte, die Tür zu schließen, aber er lehnte sich mit der Schulter dagegen.
    »Ich habe versucht, dich anzurufen.«
    »Mein Telefon ist kaputt. Ich hab’s fallen lassen. Bitte geh weg.«
    »Nein. Ich will mit dir reden.«
    »Ja, aber ich will nicht mit dir reden. Geh weg. Bitte, Ben. Bitte.«
    »Erst, wenn du mir zugehört hast.«
    »Ein andermal.«
    Sie stemmte sich mit einem Fuß an die Fußleiste ihrer kleinen Diele und drückte mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Ben tat das Gleiche auf der anderen Seite. Ein paar Augenblicke lang schwiegen beide und konzentrierten sich auf diesen Kampf. Dann kam Zoë ins Wanken, die Tür flog auf, und Ben marschierte erhobenen Hauptes herein und sah sich um, als sei er hereingebeten worden und fühle sich wie zu Hause.
    »Das passt mir nicht.« Sie ging mit gesenktem Kopf an ihm vorbei. »Ganz und gar nicht.«
    »Es tut mir leid. Lass mich nur reden. Mehr will ich nicht.«
    Sie setzte sich an den Tisch, ohne die Sonnenbrille abzunehmen, und drehte den Kopf zur Seite, als schaue sie interessiert aus dem Fenster. Sie stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und legte die Hand seitlich an ihr Gesicht, um ihm den Blick auf ihr Gesicht zu versperren.
    »Ralph Hernandez ist es nicht gewesen.«
    »Oh«, sagte sie dumpf. »Na, hurra. Woher weißt du das? Hat deine kleine Wahrsagerin ihre Kristallkugel befragt?«
    »Nein. Er hat ein Alibi für den Abend. Ein Wildfremder hat ihn etwa um die Zeit gesehen, als Lorne ermordet wurde. Er war in Clifton und zog ernsthaft in Betracht, von der Selbstmörderbrücke zu springen. Davon hat er uns nichts gesagt, weil er nicht wollte, dass seine Eltern es erfahren. Katholiken. Er hat lieber gelogen und erzählt, er sei mit Freunden unterwegs gewesen, statt zu beichten, was Sache war. Seine Freunde haben ihm geraten zu lügen – sie haben ihm versprochen, es zu bestätigen.«
    »Super. Danke, dass du es mir gesagt hast.« Sie winkte mit flatternden Fingern. »Bye.«
    Er antwortete nicht. Das Schweigen zog sich in die Länge. Sie fühlte sich versucht, sich umzudrehen, aber sie wusste, dass er sie

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