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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Verrückt oder nicht, du wirst mich jedenfalls nicht mit einem Fußball unter dem Pullover sehen.«
    Ben sah sie lange verwirrt an. Draußen fuhr ein Auto vorbei, und eine Wolke verdeckte den Mond. Nach einer Weile stand er auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett. Hab morgen einen harten Tag.«
    Sie hob den Kopf, überrascht von seinem Tonfall. Seine Hand auf ihrer Schulter war freundlich, aber es war nicht die Berührung eines Liebhabers. »Okay«, sagte sie unsicher. »Ich werde dich nicht stören, wenn ich hochkomme.«
    Er ging, und sie blieb noch lange sitzen und starrte die Stelle auf der Treppe an, wo seine Füße verschwunden waren. Was um alles in der Welt hatte sie gesagt? Würde es immer so weitergehen – dass sie immer zur falschen Zeit das Falsche sagte?
    Sally war von Anfang an die niedliche Kleine gewesen. Dolly Daydream. Große blaue Augen, blonde Löckchen. Jedermanns Darling – und völlig verloren, als ihre Familie nicht mehr da war und sich niemand um sie kümmerte. Früher hatte sie ein enges Verhältnis zu ihren Eltern gehabt, aber mit der Scheidung hatte sich etwas geändert. Vielleicht war es Verlegenheit, Scham, das tiefgründige Gefühl, sie habe die beiden irgendwie im Stich gelassen; jedenfalls stellte sie fest, dass sie Ausreden erfand, um sie nicht in Spanien zu besuchen. Langsam, im Laufe von Monaten, war der Kontakt zwischen ihnen auf ein Telefonat pro Woche geschrumpft, und manchmal ging Millie an den Apparat, wenn sie anriefen, und sprach mit ihnen, und Sally erfuhr es erst später. Was Zoë anging … na ja, Zoë würde wohl nie wieder eine Rolle in Sallys Leben spielen. Sie war inzwischen ein hohes Tier bei der Polizei und würde mit ihr nichts mehr zu tun haben wollen – mit diesem verwöhnten, idiotischen Püppchen, das mit leerem Grinsen in der Sofaecke saß, immer in die falsche Richtung schaute und niemals sah, was im Leben wichtig war.
    Sie hatte nicht einmal die Sache mit Melissa mitgekriegt, obwohl das direkt vor ihren Augen passierte.
    Die große, sonnengebräunte, langbeinige Melissa mit dem dicken blonden Haar, den Tennisspielerschultern und dem lauten australischen Akzent. Sie hatte sich durch eine von Sallys fatalen Aufmerksamkeitslücken in ihr Leben geschlichen, und ehe sichs irgendjemand versah, war sie die nächste Mrs. Julian Cassidy und begründete ein ganz neues Kapitel von kleinen Cassidys. Nach Millies Erzählungen hatte das Baby Adelayde das Haus in der Sion Road übernommen; Laufställchen und Schaukelwippen blockierten jeden Durchgang. Melissa hatte den Rasen umgegraben und durch Kiesbeete mit riesigen Wüstenpflanzen und Wegen für Adelayde ersetzt. Dagegen hatte Sally nichts. Sie war zu dem Schluss gekommen, es gebe nur eine Art, mit der Scheidung umzugehen, nämlich mit Liebenswürdigkeit. Sie zu akzeptieren und als einen neuen Anfang zu begrüßen. Die Sion Road vermisste sie nicht. In der Erinnerung erschien das Haus ihr düster und abgelegen, immer verhüllt von Wolken oder umgeben von orangegelbem elektrischen Licht. Außerdem, sagte sie sich, war Peppercorn Cottage schön mit seiner Aussicht und dem klaren, natürlichen Licht, das einfach vom Himmel herunterfiel und auf dem Haus und dem Garten landete.
    Peppercorn gehörte ihr. Nach der Scheidungsvereinbarung musste Julian die Schulgebühren für Millie bezahlen, bis sie achtzehn war, und das Cottage für sie und Sally kaufen. Die Anwältin meinte, Sally hätte mehr herausschlagen können, aber die Vorstellung, Sachen an sich zu raffen, gefiel ihr nicht. Es kam ihr einfach falsch vor. Julian hatte Peppercorn mit einer speziellen Hypothek belastet: »Offset-Hypothek« nannte man so etwas, erklärte er ihr, und es bedeutete, dass sie einen Kredit auf das Haus aufnehmen konnte, wenn sie einen brauchen sollte. Sally verstand dieses Arrangement nicht in allen Details, aber sie begriff, dass Peppercorn so etwas wie ein Polster für sie war. An einem Wochenende im November waren sie und Millie aus der Sion Road ausgezogen und hatten Koffer und Kisten mit Malzeug durch Berge von herabgefallenem Laub nach Peppercorn geschleppt. Sie hatten die Heizung aufgedreht und Schachteln mit süßem Gebäck aus dem Deli in der George Street für die Möbelpacker gekauft. Sally hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass sie ihr Konto überzog. Das hatte sie erst im Jahr darauf getan, als die Mahnbriefe von der Bank auf der Fußmatte landeten.
    »Wofür um alles in der

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