Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
asiatischen Bergkette die Vergaserdüsen verstopft gewesen waren. Sie hing an der alten Kiste, und ab und zu fuhr sie damit sogar zum Dienst. An diesem Abend um halb zwölf, als die Stadt wie ein Lichterteppich vor dem Erkerfenster funkelte, kühlte das Bike immer noch im Wohnzimmer ab, und der Motor tickte leise. Ben Parris kam von Zoës Kühlschrank zurück, ging vor der Harley in die Hocke und stellte ein Schälchen Milch vor das Vorderrad. »Bitte sehr, mein Liebling.« Er tätschelte den Reifen. »Lass es dir schmecken. Und vergiss nie, wie sehr du geliebt wirst.«
»Das ist keine verdammte Marotte, weißt du.« Zoë saß am Tisch vor dem Fenster und hielt die Weinflasche umgekehrt über ihr Glas. »Ich kann die Harley sonst nirgends lassen. So einfach ist das.«
»Du hast einen Garten.«
»Aber der einzige Weg hinein führt durchs Haus. Ich müsste die Maschine jedes Mal durch das ganze Zimmer schieben.«
»Und wie wär’s vorn auf der Straße?«
»Ach, hör auf. Da müsste ich wirklich verrückt sein.«
»Das ist wahre Liebe!«
»Eher Besitzerstolz«, korrigierte sie.
Er richtete sich auf und kam zum Tisch. »Ehrlich gesagt …« Er nahm sein eigenes Glas und sah sich um Zimmer um. »… bin ich total überrascht, dass du überhaupt in einem richtigen Haus wohnst. Bevor wir zusammen waren, hab ich mir immer vorgestellt, dass du hinten in einem Jeep schläfst oder so was. Aber sieh dich um.« Er spreizte die Hände und drehte sich um sich selbst, als sei er verblüfft. »Du hast Vorhänge. Und eine Heizung. Und richtiges, echtes elektrisches Licht.«
»Ich weiß. Das ist so was von cool, nicht?« Sie lehnte sich hinüber zur Wand und knipste die Küchenbeleuchtung an und aus. »Ich meine, guck dir das an. Zauberei. Manchmal lasse ich sogar die Klospülung rauschen. Nur so zum Spaß.«
Ben spazierte im Zimmer umher, nahm Töpfe, Gläser und Bücher in Augenschein und betrachtete dann die Foto-Collage an der Wand, die mit zwei Fotos angefangen hatte, die hier angeklebt worden waren, damit sie aus dem Weg waren. Inzwischen bedeckte sie die ganze Wand. Was den ersten Eindruck anging, dachte Zoë, hatte Amy auf dem Hausboot wirklich recht gehabt. Ben sah supergut aus. Es war schon fast verboten, wie gut! Und sie musste zugeben, dass man sich angesichts seines Äußeren Gedanken über ihn machte. Sie hatte jahrelang mit ihm zusammengearbeitet, und es hatte sie völlig umgehauen, dass er auf Frauen stand. Und zwar volle Kanne! Als er sie das erste Mal geküsst hatte, auf dem Parkplatz nach der alkoholseligen Abschiedsparty eines pensionierten Kollegen, war sie impulsiv herausgeplatzt: »Ach, Ben, das ist doch albern. Was sollen wir tun, wenn du mit mir nach Hause kommst? Uns gegenseitig unsere Waxing-Tricks verraten?«
Er war verdattert zurückgewichen. »Was?«
»Ach, komm.« Sie hatte ihn scherzhaft gegen die Brust geboxt. »Du bist schwul.«
»Bin ich nicht.«
»Wetten doch?«
»Wetten nicht?«
»Okay. Ich wette, du hast nicht ein einziges Haar am ganzen Körper. Ich wette, du gehst jede Woche in den Kosmetiksalon und lässt dich waxen. RSA .«
» RSA …?«
»Rücken, Sack und A…« Sie sprach nicht zu Ende. »Ben – komm schon«, sagte sie stattdessen lahm. »Tu nicht so, als ob es anders wäre.«
»Was? Du blöde Nuss, ich bin nicht schwul. Meiiiine Güte!« Er knöpfte sein Hemd auf und zeigte ihr seine Brust. »Und Haare habe ich auch. Siehst du?«
Zoë warf einen Blick auf seine Brust und schlug die Hand vor den Mund. » Du lieber Gott .«
»Und weiter unten noch mehr. Moment.« Er zerrte an seinem Reißverschluss. »Ich zeig’s dir.«
Und das war’s für Zoë und Ben gewesen; es war der Anfang eines vierundzwanzigstündigen Einsatzes, bei dem Ben ihr demonstriert hatte, wie unschwul er war. Danach war sie kreischend und kichernd und splitternackt vor dem offenen Fenster herumgehopst wie bei einem Regentanz und hatte ein begeistertes Triumphgeheul über die Stadt geschickt. Das war jetzt fünf Monate her, und sie schliefen immer noch miteinander. Er war nicht eingeschüchtert durch ihre Größe, ihr rotes Zottelhaar oder ihre endlos langen Beine. Es störte ihn nicht, wenn sie trank oder Wutanfälle kriegte oder dass sie nicht kochen konnte. Er war süchtig nach ihr.
Besser gesagt, er war es gewesen. Aber in letzter Zeit, fand sie, hatte sich etwas verändert. Seit Kurzem war er ernsthafter geworden. Dieser schlagfertige, unverwüstliche, gutmütige Mann, der immer sofort auf alles
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