Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
plötzlich Widerwillen. Aber es war zu spät. Durch die maschendrahtverstärkte Glasscheibe hatte der Mann drinnen sie bemerkt. Er kam zur Tür und öffnete sie schwungvoll. Sonnengebräunt und in den Sechzigern, trug er einen billigen Nadelstreifenanzug und ein adrettes weißes Hemd. Beides war ihm um eine Nummer zu eng. Offensichtlich versuchte er sich das Rauchen abzugewöhnen, denn in der Brusttasche seines Jacketts steckte ein Nicorette-Inhalator, und ein schwacher Geruch von Zigarettenrauch umwehte ihn.
    »Hallo.« Er reichte ihr die Hand. Sie war groß und fleischig, und sein Grinsen war so breit wie das eines texanischen Autohändlers. Sie hätte sich nicht gewundert, wenn er gesagt hätte: »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Ma’am?«
    »Zoë«, sagte sie.
    »Mike. Mike Holden. Was kann ich für Sie tun? Sie suchen doch nicht etwa den Bioladen? Der ist um die Ecke.«
    »Nein – ich …« Sie fummelte ihren Dienstausweis heraus und hielt ihn kurz hoch. »Kriminalpolizei Bath.«
    Holden erschrak beim Anblick des Ausweises. »Wegen Wendy? Ist es wegen Wendy? Ist ihr was passiert? Sagen Sie es einfach. Ich bin darauf vorbereitet.«
    »Wendy? Nein. Ich führe eine Ermittlung. Wegen einer Sache in Bath. Ich bringe keine schlechten Nachrichten.«
    Er trat einen Schritt zurück und atmete langsam ein und aus, um sich zu beruhigen. »Das ist gut. Gut.« Er musterte sie von oben bis unten und schien sie erst jetzt richtig zu sehen. »Entschuldigung – keine Manieren. Kommen Sie doch herein.«
    Das Büro war sauber und weniger deprimierend, als es von außen den Anschein hatte. Es roch wie in einer Küchenmöbelausstellung. Auf einem strapazierfähigen braunen Teppichboden standen ein paar Möbelstücke, die in dem großen Raum ziemlich verloren aussahen. An einer Wand hing eine Reihe von gerahmten Schwarzweißfotos. Mädchen im Bikini, Mädchen im Badeanzug. Keine Oben-ohne-Bilder.
    »Sie sind eine Modelagentur.«
    Holden nickte. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, winkte sie zu einem Stuhl und drehte ein Buch zu ihr um. »Unser Portfolio.«
    Sie blätterte darin und sah, was die Geschäftsführerin bei Zebedee Juice gemeint hatte. Die hier hatten nichts gemeinsam mit den wilden, herausfordernden Kreaturen auf dem morphenden Monitor. Sie waren hübsch, sexy und wohlgenährt. Lorne hätte gut in dieses Portfolio gepasst. »Ein paar von denen sind topless.«
    Er nickte. »Das ist unser Job. Alles von Badeanzügen über Unterwäsche bis zur Seite drei. Dieses Jahr hatten wir zwei Mädels im Pirelli-Kalender, und auf Seite drei waren wir achtzehn Mal. Das West Country hat ein paar der bestaussehenden Mädels im ganzen Land hervorgebracht. Das liegt an der Wärme und am Regen.« Er zwinkerte. »Und an der Clotted Cream. Wissen Sie – das ganze Fett.«
    »Diese Mädchen, diese Models – gehen sie auch über Oben-ohne-Fotos hinaus?«
    »Natürlich. Der menschliche Körper ist ein großartiges Instrument für den künstlerischen Ausdruck. Wenn ein Mädel frei genug ist, wenn sie sich nackt wohlfühlt, kann diese Sorte Arbeit eine Menge Befriedigung bringen. Die meisten lieben es. Sie lieben es wirklich.«
    »Glauben Sie das? Besser gesagt, erwarten Sie, dass ich es glaube? Ich meine, in Wahrheit tun sie es doch nur fürs Geld.«
    Er schwieg. Nur sein Kiefer verriet Erregung: Er bewegte sich kaum merklich hin und her, als versuche er einen Essensrest zwischen den Zähnen zu entfernen. Schließlich hob er die Hände. »Sie sind nicht dumm, und ich bin es auch nicht. Natürlich nicht. Sie tun es wegen des Geldes. Und in den meisten Fällen tun sie es nicht, weil sie müssen. Sie sind nicht verkauft worden, sie haben keine behinderten Babys oder sterbenden Mütter zu versorgen oder sonst was. Sie müssen nicht mal eine Drogensucht finanzieren, denn die meisten sind clean. Nein, meiner Erfahrung nach tun sie es in den meisten Fällen, weil es leichter ist, als acht Stunden täglich bei H & M an der Kasse zu stehen. Es ist leichter, und es geht schneller – und, ehrlich gesagt, vom Fotografen werden sie respektvoller behandelt als von der durchschnittlichen Kundin. Und ich sage, Hut ab vor ihnen. Nicht, dass ich in meinen zehn Jahren in dieser Branche jemals gesehen hätte, dass ein Mädel mit dem Geld was Vernünftiges angefangen hätte. Sie investieren es nicht oder so was. Sie verballern es für Klamotten und – unter uns – lassen sich die Titten machen. Damit sie weiter – ja, was? Damit sie weiter als Models

Weitere Kostenlose Bücher