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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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vermummt; einige hatten sich Schals um den Kopf gewickelt und nur die Augen freigelassen, andere trugen Skimasken oder Balaklavas. Ein paar hatten auch Partymasken aus Gummi aufgesetzt: Osama bin Laden, Michael Jackson, Elvis Presley, Barack Obama. Es hätte bizarr, ja, komisch ausgesehen, wenn die Männer nicht allesamt mit offener Hose dagestanden und hemmungslos masturbiert hätten.
    Die Kamera machte einen Schwenk, das Bild wurde klarer, und Sally überkam ein Gefühl der Taubheit. In der Mitte des Kreises lag jemand nackt auf einer verschlissenen Matratze – ein Mädchen, auch wenn es auf den ersten Blick schwierig war, ihr Geschlecht zu erkennen, weil sie so ausgezehrt war. Ihre zierlichen Fußknöchel waren an den Boden gekettet, die Beine auseinandergezogen. Ihr Gesicht war nicht zu sehen, aber Sally konnte erkennen, dass sie jung war. Sehr jung. Vermutlich nicht viel älter als Millie.
    Ein Mann mit einer Sonnenbrille und tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe drängte sich durch den Kreis. Er trug Jeans und ein enges T-Shirt, und obwohl sein Gesicht halb verdeckt war, erkannte sie sofort, dass es Jake war. Sie sah es an der Sonnenbräune und den muskulösen Armen. Er stellte sich breitbeinig über das Mädchen, setzte die Füße rechts und links neben ihren Kopf und schaute auf sie herunter. Er fing an, seine Hose aufzumachen – und in diesem Moment wurde Sally bewusst, dass das Laufband angehalten hatte.
    Sie klickte das Video weg und bewegte die Maus hastig zum Ausschalt-Button. Erst dann fiel ihr ein, dass der Computer im Standby-Modus gewesen war, nicht abgeschaltet. Sofort wechselte sie zum Sleep-Button. Sie sprang auf, setzte sich an den anderen Schreibtisch, wandte dem anderen Computer den Rücken zu und versuchte, ihn mit der Kraft ihres Willens dazu zu bringen, dass er noch schneller in den Standby wechselte. Sie bereute, dass sie nicht einfach den Stecker herausgezogen hatte, doch in dem Moment erschien David auch schon in der Tür. Er trug Jogginganzug und Laufschuhe. Offensichtlich war der Postbote da gewesen, denn er hielt ein Glas Rosé-Champagner in der einen Hand und einen Stapel Briefe in der anderen. Ein zweiter Stapel klemmte unter seinem Kinn. Er blätterte die Umschläge durch und murmelte: »Rechnung, Bettelbrief, verkaufen verkaufen verkaufen, Kreditkartenscheißdreck …«
    Dann sah er, dass der Computer noch arbeitete und dass Sally stocksteif und still und mit hochrotem Gesicht am Schreibtisch saß und auf ihren Monitor starrte.
    Langsam ließ er die Briefe sinken. »Äh, Entschuldigung, wenn ich darauf hinweise, aber jemand hat an meinem Computer herumgedaddelt.« Stirnrunzelnd blieb er davor stehen und sah zu, wie der Bildschirm sich surrend verdunkelte. In der gedehnten Stille, die folgte, konnte Sally nur an ihr laut klopfendes Herz denken. Dann drehte David sich um.
    »Sally?«
    Sie schwieg.
    »Sally? Ich rede mit dir. Sieh mir in die Augen.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und zog daran. Widerstrebend drehte sie sich um. Er machte den Teufelsgruß aus Daumen und kleinem Finger und deutete damit auf seine Augen. »Sieh mir in die Augen und sag mir, warum du das getan hast.« An seiner Schläfe pulsierte eine Ader. »He? Wo ich dir doch gesagt hab, du sollst von dieser Seite des Raums wegbleiben.«
    Sie antwortete nicht. Sie konnte es nicht. Sie würde sich übergeben, jetzt gleich, jeden Augenblick.
    »Sieh mich nicht so von oben herab an. Ich bin nicht das miese Stück Scheiße an deiner Schuhsohle, Sally, sondern umgekehrt. Ist deiner Aufmerksamkeit entgangen, dass ich es bin, der dich angestellt hat? Bloß weil du reden kannst, als wärst du von einer verfickten Etepetete-Mädchenschule ausgespuckt worden, wo sie dir beigebracht haben, nicht gleich die Fotze aufblitzen zu lassen, wenn du aus dem Ferrari steigst, bist du noch lange nicht was Besseres als ich. Du musst immer noch so tun, als ob du mich magst. Du bist verzweifelt, und du …«
    Er brach ab. Etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Der Videomonitor an der Wand. Er hob den Kopf und starrte mit offenem Mund hinüber. Zittrig blickte Sally hoch und sah auf dem Bildschirm, hinter dem elektronischen Tor, den vertrauten lila-metallic-farbenen Jeep. Jake lehnte sich aus dem Fenster und drückte auf den Summer.
    » Verfluchte Scheiße .« David knallte seine Post auf den Tisch. »Heute scheint wirklich mein Glückstag zu sein.« Er packte eine Reitgerte, die an der Wand lehnte, und marschierte in

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