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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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noch«, sagte sie.
    »Ja?«
    »Wenn Ihnen dazu noch etwas einfällt, rufen Sie nicht auf dem Revier an. Keiner der Kollegen arbeitet an dieser Spur, und deshalb müssen Sie direkt mit mir sprechen.« Sie legte eine Visitenkarte auf seinen Schreibtisch. »Und hinterlassen Sie keine Nachrichten außer auf meiner persönlichen Mailbox. Wenn Sie mir diesen Gefallen tun …«
    »Ja?«
    »Erfährt niemand auf dieser Liste Ihren Namen.«

36
    Sally merkte, dass sie David Goldrab anstarrte, während sie an diesem Tag bei ihm putzte. Immer wieder versuchte sie, einen Blick auf ihn zu werfen, als er nach einem Besuch im Stall im Haus umherwanderte, eine Flasche Champagner aufmachte und mit der Reitgerte an seiner Wade den Takt zu einer Melodie schlug, die er vor sich hin summte. Sie stand ihm gegenüber mit Gummihandschuhen an der Spüle und wischte immer wieder über die Flächen, aber sie schaute nicht die Spüle an, sondern ihn – seine Haut, seine Hände, seine Arme. Die beweglichen Teile, die ihn zu einem Lebewesen machten. Jemand wollte, dass er tot war. Richtig tot. Nicht gespielt. Richtig.
    Als sie mit dem Saubermachen fertig war, ging sie ins Büro und fing an, die Haushaltsausgaben in die Datenbank einzugeben. Nach ungefähr zehn Minuten hörte sie, wie er nach oben ins Fitness-Studio ging, das an der Vorderseite des Hauses lag. Gleich darauf hörte sie das vertraute Surren des Laufbands und dann die dumpfen Schläge seiner Schritte. Ihr Blick wanderte zu den Computern auf dem anderen Schreibtisch. Seine »geschäftliche« Abteilung. Sie dachte an das, was Steve gesagt hatte. Pornos. Aber hässliche Pornos. Dunkel und verhüllt. Sie nagte an der Unterlippe und versuchte, sich auf die Zahlenkolonnen zu konzentrieren. Beim Hereinkommen hatte sie ein Licht an einem der Computer gesehen. Das bedeutete, dass er im Standby-Modus und nicht abgeschaltet war.
    Irgendwann konnte sie ihre Neugier nicht mehr im Zaum halten. Sie stand auf, schob die Zunge zwischen die Zähne, ging zu dem Computer und berührte die Maus. Etwas sirrte, und der Computer erwachte zum Leben. Sofort bekam sie Angst; sie stand auf, ging zur offenen Tür und schaute draußen zur Decke. Sie hörte das Stampfen seiner Schritte auf dem Laufband.
    Hastig kehrte sie zu dem Computer zurück. David hatte sich nicht ausgeloggt; auf dem Bildschirm war alles zu sehen. Sein Desktop-Hintergrund war eine gescannte Zeitungsseite mit einem Foto, das einen Mann in den Vierzigern zeigte, mit massigem Kinn und schütterem Haar. Er trug einen Anzug, und das Foto war anscheinend irgendwo auf der Straße aufgenommen worden: Er hielt die Hand vor der Kamera hoch, als hätten ihn Fotografen überrascht. Die Schlagzeile lautete: »Mooney, Topmann des Verteidigungsministeriums, leitet kosovarische Sex-Einheit«. Die Seite sah aus, als stamme sie aus der Sun , dem Mirror oder einem anderen Boulevardblatt. Sie überflog den Artikel: Er handelte von einer neugegründeten Einheit der Vereinten Nationen, die verhindern sollte, dass Frauen als Prostituierte für die Friedenstruppen eingesetzt wurden. Sie betrachtete das Gesicht des Mannes auf dem Foto. Mooney. Steves Klient. Bedeutete die Tatsache, dass sein Bild auf diesem Computer war, dass David von seiner Observation wusste?
    Sie biss sich auf die Lippe und schaute zur Tür. Über dem Foto auf dem Desktop waren zehn Icons, und alle hatten die Datei-Endung » mov «. Videos. David stampfte immer noch auf dem Laufband. Sie ließ den Cursor über die Icons wandern. Es war lächerlich, wenn sie darüber nachdachte, aber sie war jetzt fünfunddreißig Jahre alt und konnte sich nicht erinnern, jemals einen Pornofilm von Anfang bis Ende gesehen zu haben. Ausschnitte musste sie allerdings doch irgendwann angeschaut haben, denn sie hatte immerhin eine Vorstellung von dem, was sie zu erwarten hatte: stark sonnengebräunte Frauen mit blonden Haaren, wippenden Brüsten und knallrot geschminkten Lippen. Sie dachte an ekstatisch verzerrte Gesichter. Nicht erwartet hatte sie das, was sie sah, als sie eins der Icons anklickte.
    Die Umgebung sah aus wie ein großer Viehstall mit weißgestrichenen Betonwänden und gitterförmig angebrachten Scheinwerfern unter der Decke. Zunächst sah Sally nur die Rücken von Leuten, die anscheinend etwas verfolgten, das sich auf dem Boden des Stalls abspielte. Es waren lauter Männer, die vom Hals an abwärts ganz durchschnittlich gekleidet waren, in Jeans, Hemden und Pullovern. Aber ihre Gesichter waren

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