Atemlos
wenig verläßlich – das konnten genausogut zwei oder vier sein, mehr oder weniger. Ich rechnete mir im stillen aus, daß uns das Durchkämmen eines Gebietes von fünf oder sechs Quadratkilometern bevorstand. Trotzdem: Vorhin, als ich mit Paul sprach, sah die Lage weit weniger günstig aus. Wie günstig?
Ich sagte: »Luke, kannst du uns denn auch nach Tamrit zurückführen? Ich könnt's nicht.«
»Klar. Ich hab' bisher ständig Kompaßpeilungen vorgenommen.« Byrnes Blick wanderte von mir zu Paul. »Nun, was ist?«
Paul nickte heftig, also blieb mir nur ein Achselzucken. Wenn das eine Abstimmung gewesen sein sollte, war ich überstimmt. Ich sagte: »Mir soll's recht sein, aber was wird aus Atitel? Bis Tamrit ist es weit, und dort wird er mutterseelenallein warten müssen, während Hami diese verdammte Schlucht hinuntersteigt und nach Dschanet läuft. Hältst du das für fair?«
»Sein Vorschlag«, sagte Byrne. »Er meint, der Beinbruch macht ihm nichts aus, wenn's nur wieder gerichtet werden kann. Er hätte das Bein früher schon mal gebrochen. Sorgen macht er sich nur um seine zehn verdammten Kamele, die will er sich unbedingt verdient haben.«
»Dann soll er zu Allah beten, daß das auch das Flugzeug ist, das wir suchen.«
Wir packten die Eselslasten um, und dann machten sich die beiden Tuareg auf den Rückweg; Atitel saß auf dem Esel, den Hami am Zügel führte, und Atitels Bein stand grotesk im rechten Winkel ab. Und dann waren wir noch drei – mit fünf Eseln. Zwei führte ich, Paul ebenfalls zwei, Byrne nur einen, damit er noch eine Hand für seinen Kompaß frei hatte.
Ich war milde verblüfft, als wir tatsächlich nach zweistündigem Marsch Atitels Landmarke ansichtig wurden. Das durfte nicht wahr sein, daß auf einmal für uns irgendwas glatt ging – halb hatte ich damit gerechnet, daß wir das verdammte Ding suchen müßten. Aber da stand es unverkennbar, genau wie Byrne es beschrieben hatte: ein schlanker Turm, dem ein Gigant mit schwingender Axt von der Spitze abwärts einen Hieb verpaßt hatte.
Am Sockel schlugen wir unser Lager auf. Paul wollte unbedingt noch die drei Kilometer nach Nordwesten gehen. Aber Byrne wollte nichts davon hören. »Es ist spät«, sagte er. »Mit Atitel hätte ich nichts gegen einen Nachtmarsch gehabt, auf ihn konnte ich mich verlassen. Aber wir brechen uns in der Finsternis nur die Knochen. Morgen ist auch ein Tag.«
Also warteten wir den Tag ab. Wir frühstückten schon vor der Dämmerung; sobald das Licht ausreichte, brachen wir auf. Im ganzen Leben habe ich nie, auch in der Armee nicht, so viele Aufbrüche im Morgengrauen mitgemacht wie hier in der Wüste. Wir marschierten drei Kilometer, wobei Byrne die Richtung und den Schritt angab. Das dauerte eine Stunde. Dann blieben wir exakt in der Mitte von Nirgendwo stehen, luden die Esel ab und banden sie an, damit sie uns nicht davonliefen. Die Landschaft war anarchisch, ein Chaos aus Felsensäulen, ein Labyrinth von Verstecken. Vielleicht stand Peter Billsons Flugzeug hundert Meter neben uns, aber wie sollten wir es wissen? In die Stille hinein sagte ich: »Und wenn's ausgebrannt ist?«
»Nein«, antwortete Byrne. »Atitel hat gesagt, es ist intakt. Er hat schon Flugzeuge gesehen – auf der Landepiste von In-Debiren. Und er hat gesagt, dieses Flugzeug hätte immer noch seine Flügel. Er hat gesagt, es wäre genau wie das Flugzeug auf dem Bild.«
»Aber das ist doch unglaublich. Du meinst, Billson ist mitten in der Nacht mitten in dieser kaputten Gegend gelandet, ohne sich was zu verbiegen?«
»Mein Vater war ein sehr guter Pilot!« protestierte Paul.
»Und wenn er so gut fliegen konnte wie der Erzengel Gabriel – es ist einfach unmöglich!«
»Vielleicht haben die angelassen ihm geholfen«, sagte Byrne. »Also, es gilt jetzt, mit äußerster Sorgfalt vorzugehen. Niemand geht allein los. Wir bleiben ständig miteinander in Sicht- und Rufverbindung. Wenn einer die anderen nicht mehr sieht – sofort rufen.« Er richtete seinen Blick auf Paul: »In diesem Gewirr kann einer verdammt schnell verlorengehen, also merk dir das!«
Paul murmelte Zustimmung. Er bibberte wie ein jagdgieriger Hund, der auf die Hasen los will. Ich sagte: »Ich hab' mir diese Fotos nicht so genau angesehen – wie groß ist eine Northorp?«
»Achtundvierzig Fuß Flügelweite«, sprudelte Paul über, »Länge zweiunddreißig Fuß, Maximalhöhe neun Fuß.«
Immerhin größer als ich gedacht hatte. Wir mußten also Ausschau nach
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