Atemlos
Schaltern. Das Seitensteuer bewegte sich zwar, aber es quietschte und knirschte. Das Höhensteuer ging glatter auf und ab. Paul stand neben dem Flugzeug, tat nichts, sah nur die Luftikus an. Nie habe ich einen Mann mit solch friedlichem Gesichtsausdruck gesehen; ich hoffte sehr, daß er nun von allem, was ihn bedrückt hatte, geheilt wäre. Denn krankhaft verwirrt war er ohne Zweifel gewesen.
Ich verknipste einen ganzen Film, fotografierte aus den verschiedensten Blickwinkeln, machte auch zwei Fotos von dem fast ausgelöschten Namen am Rumpf. Dann spulte ich den Film wieder in die Hülse zurück; die Hülse packte ich zu meinem bisher unbenutzten Rasierzeug.
Byrne saß noch immer in der Kanzel. »Komm rauf«, sagte er. Ich setzte meinen Fuß auf den Tritt und hievte mich hoch. Byrne hielt seinen prismatischen Taschenkompaß in der Hand. »Schau dir mal das an!« Er pochte auf ein Instrument oben an der Windschutzscheibe.
»Was ist das?«
»Der Kompaß. Er steht auf hundertzweiundachtzig Grad.« Daneben hielt er seinen prismatischen Kompaß, so daß ich ihn ablesen konnte. »Meiner zeigt hundertfünfundsiebzig Grad an.«
»Sieben Grad Differenz. Welcher stimmt?«
»Meiner zeigt nicht falsch an«, sagte er gleichmütig.
»Mit einer Mißweisung von sieben Grad ist aber Billsons Kursabweichung von fünfzehn Grad nicht zu erklären.«
»Eigentlich nicht.« Er reichte mir den prismatischen Kompaß. »Stell dich dort hinten hin – weit vom Flugzeug weg. Dann peil das Seitensteuer an. Du mußt genau in der Richtung des Flugzeugs stehen. Dann lies den Wert ab und komm wieder her und sag ihn mir.«
Ich kletterte von der Maschine und ging bis zu unserem Gepäck zurück. Ich peilte das Seitensteuer an und las nun hundertachtundsechzig Grad ab. Ich glaubte, einen Fehler gemacht zu haben, überprüfte meinen Standort, versuchte es noch einmal – und bekam dasselbe Ergebnis. Ich ging wieder zu Byrne. »Hundertachtundsechzig Grad.«
Er nickte. »Vierzehn Grad Differenz. Das dürfte reichen, damit sich einer bis hierher verfranzt.« Er pochte abermals auf den Flugzeugkompaß. »Stell's dir mal vor: Nachtflug. Er richtet sich also nach dem Kompaß. Nehmen wir nun an, er nimmt Kurs auf achtzig Grad. Aber in Wirklichkeit fliegt er Sechsundsechzig Grad – und kommt mächtig vom Kurs ab.«
»Hat der Kompaß eine solche Mißweisung?«
»Sieht so aus. Und die kann er erst seit Algier haben, denn dort ist er ja ohne Schwierigkeiten angekommen.«
Ich sagte: »Warum zeigt dein Kompaß im Flugzeug anders an als draußen?«
»Die magnetische Abweichung«, sagte er. »Erinnerst du dich, was ich dir am Assekrem gesagt habe – wie das Eisen in den Bergen einen Kompaß verrückt spielen läßt? Nun gibt's hier eine Menge Eisen. Vorn sitzt ein verdammter Eisenklotz, der Motor. Wie der die Kompaßweisung beeinträchtigt! Ein Wright-Cyclone mit neun Zylindern – und beim Flug zünden die Zündkerzen unheimlich los und bewirken eine Strahlung. Es heißt immer, das könnte man abdämmen – aber das hat bis jetzt noch niemand einwandfrei hingekriegt. Überall im Flugzeug gibt's noch Eisenbrocken, die Ölstutzen zum Beispiel.« Er pochte auf den Rumpf. »Das macht allerdings nichts aus, das ist Aluminium.«
Ich sagte: »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Ich komm gleich zum Thema.« Nachdenklich betrachtete Byrne den Kompaß. »Nehmen wir an, du baust dir ein Flugzeug. Du nimmst einen prima Kompaß, steckst ihn ins Flugzeug – und er zeigt wegen des Eisens ringsum falsch an. Was nun? Du mußt ihn regulieren, damit er wieder so anzeigt wie vor dem Einbau.« Er zeigte auf den Kompaß. »Deshalb werden Magnete angebracht, an genau berechneten Stellen, um die Wirkung der Eisenteile auszugleichen.«
»Aha, und nun denkst du, es ist vielleicht ein Magnet abgefallen – wegen der Vibration oder so.«
»Quatsch«, sagte er brüsk. »Die können nicht runterfallen. Die werden fest eingeschraubt. Und noch etwas – jeder Kompaß, egal, wie gut er ist, hat je nach dem Kurs, den du fliegst, eine gewisse Mißweisung. Schau hier – die Nadel zeigt immer in dieselbe Richtung, zum magnetischen Nordpol; bei Kurswechsel schwenkst du also dein ganzes Eisen um die Nadel herum.«
»Das wird immer komplizierter.«
»Aber das ist der entscheidende Punkt. Jeder Kompaß, in jedem Flugzeug, wird jeweils für sich getestet, denn jedes Flugzeug hat unterschiedliche magnetische Eigenschaften, auch beim gleichen Modell. Zu diesem Zweck wird
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