Atemlos
Kontrollanzeiger im Cockpit. Der Motor hat ausgesetzt, das ist klar, aber nicht, weil der Tank leer war.«
»Weswegen dann?«
»Das muß ich noch rausfinden.«
»Wie?«
»Ich möchte den Haupttank öffnen. Glaubst du, daß Paul was dagegen hat?«
»Ich kann ihn fragen.«
Paul hatte nichts dagegen. Im Gegenteil, als Byrne mit Hammer und Meißel dastand und die Luftikus entlangblickte, entwickelte Paul eine ungewohnt brennende Neugier. Byrne sagte: »Ich bin den Hauptleitungen nachgegangen und würde sagen, daß der Haupttank sich hier im mittleren Teil befinden muß, wahrscheinlich reicht er sogar in die Tragflächenstutzen hinein. Hier fang ich an.«
Er kniete sich hin, setzte den Meißel gegen den Rumpf und holte mit dem Hammer aus. »Halt!« rief Paul. »Das kann Funken erzeugen!«
Byrne drehte den Kopf: »Na und?«
»Aber das Benzin!«
»Da ist kein Benzin – kein Treibstoff – mehr drin, Paul. Nicht nach zweiundvierzig Jahren. Alles verdunstet.«
»Aus einem versiegelten Tank?« meinte Paul skeptisch.
»Kein Treibstofftank ist versiegelt«, sagte der Alte. »Wegen des Ventilsystems. Versuch mal, Treibstoff aus einem Tank zu kriegen, ohne Luft reinzulassen – schaffst du nicht. Keine Sorge, Paul. Hier ist kein Treibstoff mehr drin.«
Mit hartem, metallischem Klirren fuhr der Hammer auf den Meißel. Immer wieder schlug der Alte zu, dann trat ich zu Byrne und hielt ihm den Meißel, damit er härter zuschlagen konnte. Aber vorher warnte ich noch, auch ja den Meißel zu treffen und nicht meine Hand. Allmählich entstand ein Loch im Leib der Luftikus, und irgendwie kam es mir wie eine Entheiligung vor.
Als das Loch schließlich etwa dreißig mal fünfzehn Zentimeter groß gähnte, bog Byrne das Stück Aluminium nach außen, so daß er in den Tank schauen konnte. Braunes Pulver fiel von der Innenwandung auf den Sand.
»Was ist das für ein Pulver?«
»Auf einem Tankboden bilden sich immer Rückstände. Der Treibstoff wird zwar beim Einfüllen und bei der Zufuhr zum Motor gefiltert, aber vollkommen rein ist Treibstoff nie. Außerdem treten chemische Instabilitäten und Veränderungen auf.« Byrne schob seinen Arm in den Tank und holte eine Handvoll von diesem Pulver heraus. »Liegt mehr im Tank, als ich gedacht hätte«, wunderte er sich. »Billson hätte vor dem Start zu einem Wettflug den Tank ausschwemmen und ausdampfen lassen sollen.«
Ich starrte auf die Handvoll vertrockneter Ausfälle, Byrne führte sich das Zeug vor die Nase. »Mehr als du angenommen hättest?« wiederholte ich.
»Denk dir nicht zuviel dabei«, riet er. »Ich guck selbst zum erstenmal in einen Treibstofftank. Hatte es bis jetzt noch nie nötig. In diesem Tank waren über dreizehnhundert Liter; weiß der Teufel, was sich da beim Verdunsten abgespielt hat. Ständiger Temperaturwechsel wie in dieser Gegend kann alle möglichen Reaktionen verursacht haben.«
»Trotzdem«, befand ich, »eine Musterprobe von diesem Zeugs möcht' ich mir schon gern mitnehmen.«
Ich bin so altmodisch, daß ich immer noch Rasierseife benutze, und die meinige hatte ich in einer Plastikdose bei mir. Viel Gebrauch hatte ich davon in der Wüste nicht gemacht, und ich besaß inzwischen einen fast schon so ehrwürdigen Bart wie Byrne, graumeliert übrigens. »Bald wirst du mindestens so distinguiert wie ich aussehen«, hatte Byrne gemeint. Ich brach die Seife aus der Halterung, wir füllten ein wenig von dem braunen Pulver in die Dose ab, dann schraubte ich den Verschluß wieder auf, und zur Vorsicht klebten wir noch Heftpflaster aus Byrnes Erste-Hilfe-Kasten drüber.
Inzwischen war es Mittag geworden, und wir machten uns einen Imbiß. Beim Essen sagte Paul: »Wann machen wir uns eigentlich wieder auf den Rückweg?« Byrne sah mich an, wir hatten den gleichen Gedanken – es stand uns noch eine Beerdigung bevor. »Morgen in der Frühe«, sagte Byrne.
Ich sagte Paul immer noch nichts, bis wir gegessen und unseren Tee getrunken hatten. Ich legte auch erst noch einen neuen Film in meine Kamera ein, denn ich wollte über eine vollständige Dokumentation verfügen können. Dann sagte ich: »Paul, reiß dich zusammen – ich hab' dir was mitzuteilen.« Er riß den Kopf hoch und starrte mich aus weitgeöffneten Augen an. Da wußte ich, daß er es schon ahnte.
»Ihr habt ihn gefunden. Ihr habt meinen Vater gefunden.«
»Ja, Paul.«
Er sprang auf die Füße. »Wo?«
»Nicht weit von hier. Bist du ganz sicher, daß du ihn sehen willst? Luke und ich –
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