Atemlos
nämlich 1936 schon, ich habe das nachgeprüft. Mit anderen Worten, Paul sucht etwas in der Wüste, was gar nicht existiert.«
»Das will ich nicht gehört haben«, sagte sie kalt. »Sie gehen davon aus, daß meine Mutter bei dem Versicherungsschwindel mitgemacht hätte.«
»Tut mir leid. Mir gefällt das auch nicht, aber wir müssen auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen. In meinem Geschäft, Miß Aarvik, hat man immer alles in Betracht zu ziehen.«
Der Kellner unterbrach uns. Bei der Zwiebelsuppe sagte ich: »Wie auch immer – nun wissen Sie, wo Ihr Bruder ist. Irgendwo in Algerien, wenn nicht schon in Niger oder in Tschad oder in einer ähnlich unwahrscheinlichen Gegend.«
»Wir müssen ihn zurückholen«, sagte sie. »Mr. Stafford, ich habe nicht viel Geld, aber kann nicht Ihr Detektivbüro nach ihm fahnden?«
»Ich habe kein Detektivbüro«, sagte ich. »Ich betreibe einen Sicherheitsdienst. Das wird oft verwechselt. Aber warum wollen Sie eigentlich Ihren Bruder wiederhaben? Sie haben soeben erfahren, daß er Sie jahrelang hinters Licht geführt hat. Wenn Sie mich fragen – ohne ihn sind Sie besser dran.«
»Er ist mein Bruder«, sagte sie schlicht. »Er ist alles, was ich in der Welt an Familie habe.«
Sie sah so kummervoll drein, daß sie mir leid tat. Ich glaube, in diesem Augenblick sind die Würfel gefallen. Natürlich schützte ich eine Menge Wenns und Abers vor, um mein Gewissen zu beruhigen, falls ich es mir doch noch anders überlegte, aber die Entscheidung stand eigentlich von da an fest.
Ich sagte behutsam: »Es gibt eine Möglichkeit – nur eine Möglichkeit, wohlgemerkt –, daß ich mich unter Umständen in der nächsten Zeit nach Nordafrika begebe. Ich würde mich dann umhören und schauen, ob ich Paul finden kann.«
Sie strahlte, als hätte ich ihr den Schlüssel zur Bank von England überreicht. »Das ist sehr lieb von Ihnen«, sagte sie warm.
»Freuen Sie sich nicht zu früh«, warnte ich. »Selbst wenn ich ihn finde, muß das für Sie kein Anlaß zum Jubeln sein. Angenommen, er mag nicht heimkommen, was soll ich dann machen? Ihn kidnappen? Er ist ein freier Bürger, nicht wahr?«
»Telegraphieren Sie mir, wenn Sie ihn finden. Ich fliege dann zu Ihnen. Wenn ich nur mit Paul sprechen kann, wird er auch heimkommen.«
»Sicher. Aber erst müssen wir ihn finden. Immerhin, wir haben ein paar Pluspunkte auf unserer Seite. Erstens gibt es große Gebiete der Sahara, wo er gewiß nicht nach dem Flugzeug suchen wird.« Ich legte eine Pause ein, dann sagte ich zynisch: »Jedenfalls nicht, wenn er bei klarem Verstand ist, woran ich allerdings, was mir erlaubt sein muß, einige Zweifel habe.«
»Ach! Und welche Gebiete?«
»Die bewohnten Regionen – die Sahara ist nicht überall unwegsame Wüste. Außerdem wäre Peter Billsons geplanter Flugweg in Betracht zu ziehen. Damit erhalten wir grobe Anhaltswerte, wo sich das Flugzeug befinden könnte. Ob es wohl Leute gibt, die sich nach vierzig Jahren noch daran erinnern?«
Sie schüttelte entmutigt den Kopf. Dann sagte sie zögernd: »Im Wissenschaftlichen Museum gibt es eine Abteilung für Geschichte der Luftfahrt, dort arbeitet ein Mann, den Paul öfter besucht hat – ein Luftfahrthistoriker, glaube ich, er muß Gott weiß was für Unterlagen in seinem Archiv haben. Aber ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern.«
»Ich gehe der Sache nach«, sagte ich. »Ein weiterer Pluspunkt: In einem verhältnismäßig leeren Land fällt ein Fremder immer auf. Wenn Paul mit seinem Landrover durch abgelegene Regionen tuckert, muß er eine ziemlich deutliche Spur hinterlassen.«
Sie lächelte mich an. »Sie haben es geschafft, daß ich mich jetzt schon viel wohler fühle.«
»Nur keine allzu großen Hoffnungen! Wenn … Falls ich nach Nordafrika gehe, sage ich Ihnen noch, wo ich zu erreichen bin.«
Sie nickte. Das Essen war wirklich gar nicht so schlecht.
Ich brachte Alix früh nach Hause und fuhr dann in den Klub zurück, wo ich Charlie Malleson in die Arme lief, der eben zur Tür herauskam. »Dachte schon, ich hätte dich verpaßt«, sagte er. »Kam zufällig vorbei und dachte, ich schau mal rein, vielleicht bist du da.«
Ich sah auf die Uhr. »Die Bar ist noch offen. Was hältst du von einem Drink?«
»Gern.«
Wir setzten uns mit unseren Gläsern an einen ruhigen Tisch, und Charlie sagte: »Ich habe bei dir zu Hause angerufen, aber da war niemand. Deshalb hoffte ich, dich hier zu finden.«
Ich nickte nur, er räusperte sich
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