Atemlos
unbehaglich. »Ist das wahr, was ich da gehört habe, mit dir und Gloria?«
»Kommt darauf an, was du gehört hast, aber ich kann's mir schon denken. Schlimmes spricht sich immer schnell herum. Ja, es ist leider wahr. Wo hast du es gehört?«
»Brinton hat gestern Andeutungen gemacht. Gloria hat mit ihm gesprochen.«
»Es liegt ihr wohl daran, ihre eigene Version zuerst zu verkünden. Aber Brinton wird sich wohl kaum beeindrucken lassen.«
»Also, mir tut es ehrlich leid, daß es so kommen mußte. Reichst du die Scheidung ein?«
»Das liegt in der Hand meines Anwalts.«
»Ich verstehe«, sagte er langsam. Mir war nicht klar, was er verstand, aber mir war's auch egal. »Und wie fühlst du dich sonst?« fragte er. »Du bist ja noch nicht lange aus dem Krankenhaus.«
Ich schaute ihn über den Rand meines Glases an. »Bist du schon einmal zusammengedroschen worden, Charlie? Schon mal so richtig von Experten durch die Mangel gezogen worden?«
»Das kann ich nicht behaupten.«
»Es ist das Entwürdigendste, das einem Mann widerfahren kann«, sagte ich ohne Umschweife. »Nicht so sehr, was man dir damit körperlich antut. Der Körper verträgt eine Menge. Aber dieses Gefühl absoluter Hilflosigkeit. Du bist nicht mehr du selbst. Dein Schicksal liegt in der Hand von anderen, die mit dir machen, was sie wollen. Und da fragst du noch, wie ich mich fühle.«
»Das macht dich bitter, nicht wahr, Max? Weißt du, das hätte ich nicht von dir gedacht.«
»Wieso nicht?«
»Nun, du stehst im Ruf, ein ziemlich kalter Hund zu sein, weißt du, du führst dein Geschäft wie ein Computer.«
»Es kann doch nicht verkehrt sein, logisch zu denken und logisch zu handeln«, sagte ich.
»Nein.« Es dauerte eine Weile, ehe Charlie weitersprach. »Wegen der Scheidung wirst du nun wahrscheinlich doch in England bleiben, oder?«
Ich trank mein Glas leer. »Das sehe ich nicht ein. Warum soll ich nicht deinem guten Rat folgen und mich in die Sonne legen? Es wird mir guttun, London eine Zeitlang hinter mir zu lassen.«
Charlie machte ein Gesicht, als gefiele ihm das. »Natürlich wird es dir guttun, du wirst als neuer Mensch zurückkommen.«
»Wie macht sich Jack Ellis in seinem neuen Job?«
»Sehr gut. Und ich freue mich, daß du ihm eine hübsche Karriere in Aussicht gestellt hast. Damit sind klare Verhältnisse geschaffen, und das macht alles leichter. Wie lange bleibst du weg?«
»Das weiß ich wirklich noch nicht. Halt die Stellung, Charlie. Verdoppele den Gewinn und leg das Dreifache auf die hohe Kante. Und wenn du mich wiedersiehst, bin ich wieder da.«
Wir plauderten noch eine Weile, dann wünschte Charlie mir eine gute Reise. Ich hatte das dumpfe Gefühl, daß er nicht ganz zufällig vorbeigekommen war, sondern aus triftigem Grund. Um Fragen beantwortet zu bekommen. Aber welche Fragen? Wegen der Scheidung? Wegen meiner Gesundheit? Ich überlegte mir noch einmal, worüber wir gesprochen hatten, und fragte mich, ob er seine Antwort erhalten hatte.
Ich schlief unruhig in dieser Nacht. Ich versuchte mich so zu sehen, wie andere mich sahen: Max Stafford, der kalte Hund. Ich wäre nie darauf gekommen, daß Charlie mich so sah. Wir waren nicht nur Geschäftspartner, wir waren seit langem gute Freunde. Manchmal erschrickt man, wenn man sich blitzlichtartig mit den Augen anderer sieht.
Ich schlief ein, hatte schlimme Träume von drohendem Verhängnis, wachte wieder auf. Lange lag ich mit offenen Augen da. Schließlich machte ich mir die Nachttischlampe und eine Zigarette an.
Da brüstete ich mich, logisch zu denken und zu handeln – aber wo, zum Teufel, war in einer Schnitzeljagd nach Algier, wie ich sie nun plante, die Logik? Was war mit mir los? War Erotik im Spiel? Ich wollte doch nicht etwa von Gloria auf Alix umsteigen? Oder mimte ich deshalb, noch unterbewußt, den Ritter ohne Furcht und Tadel, der auf weißem Hengst den bösen Drachen jagt? Quatsch. Alix Aarvik war ja ganz nett, aber erotische Spannung? Fehlanzeige. Nicht einmal das. Vielleicht war Max Stafford doch kalt wie eine Hundeschnauze. Aber warum das alles?
Vielleicht störte mich einfach der Gedanke, daß ich mich an der Nase herumgeführt fühlte. Ich dachte über Andrew McGovern nach. Also, wie war das? Zuerst hatte er sie nach Kanada versetzen wollen. Warum? Dann hatte er sie doch nicht über den Atlantik geschickt. Warum? Vielleicht, weil er ein paar Schritte schneller war und sie noch am Tag vor der Abreise erwischt hatte? Offenbar gab es nun keinen
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