Atemlos
war unwahrscheinlich, denn im Umkreis von dreitausend Kilometern gab es keine Autobahn. Byrne sah mein Gesicht und sagte: »Rauhe Gegend hier«, und hielt das für eine ausreichende Erklärung. Der Motor lief hübsch rund, und auch die Reifen waren gut.
Wir fuhren im trüben Licht des Morgengrauens los, Byrne am Steuer, ich neben ihm und Mokhtar hinten. Rund um den Wagen, wo immer es ein Eckchen Platz gab, waren Kanister mit Benzin und Wasser festgezurrt, und ich bemerkte, daß Mokhtar unauffällig ein Gewehr in den Wagen gelegt hatte. Mokhtar hatte auch ein Schwert bei sich, ungefähr einen Meter zwanzig lang, in einer roten Lederscheide; wozu das gut sein sollte, konnte ich mir nicht vorstellen.
Wir fuhren auf einer holprigen Spur nordwärts, und ich sagte: »Wohin geht's eigentlich?«
Eine ziemlich blödsinnige Frage, denn mit der Antwort konnte ich nichts anfangen. Byrne zeigte mit einem Finger in Fahrtrichtung, sagte knapp: »Atakor«, und überließ es mir, mir einen Vers darauf zu machen. Ich schwieg eine Weile und dann sagte ich: »Haben Sie eine Genehmigung?«
»Nein«, sagte Byrne kurz angebunden. Ein paar Minuten verstrichen, dann ließ er sich zu einem Kommentar herbei. »Ich lasse mir doch von keinem fetten Bürokraten in Maghreb sagen, wohin ich in der Wüste fahren darf und wohin nicht.«
Danach fand überhaupt keine Unterhaltung mehr statt, und ich begann zu begreifen, daß es kein Vergnügen war, mit Byrne unterwegs zu sein. Ihm ein Wort zu entreißen, war so mühsam, wie ihm einen Zahn zu ziehen. Aber vielleicht war er am frühen Morgen immer so. Ich überdachte, was er eben gesagt hatte, und lächelte. Es erinnerte mich an meine eigene Reaktion auf Isaacsons Verhalten gegenüber Hoyland. Aber das war weit weg, das war in einer anderen Welt gewesen, und vielleicht auch schon tausend Jahre her.
Die Landschaft wechselte. Zuerst waren wir durch eine Geröllebene gefahren, dann waren niedrige Hügel gekommen, bar jeglicher Vegetation, und nun ging es bergan. Voraus lagen Berge, ein Gebirge, wie ich es noch nie gesehen hatte. Die meisten Gebirge erheben sich in sanfter Steigung aus den Ebenen, dieses hier jedoch ragte senkrecht himmelan. Eine Landschaft wie ein scharfes Gebiß.
Nach zwei Stunden holpriger Fahrerei gelangten wir in ein Tal, in dem ein kleines Zeltlager stand. Hier gab es ein wenig Vegetation, nicht viel, aber es waren Ziegen oder Schafe zu sehen – hier in der Wüste konnte ich die beiden Rassen nicht auseinanderhalten, denn die Schafe waren dünnwollige, langbeinige Geschöpfe, und ich begriff zum erstenmal das Bibelzitat von den Schwierigkeiten bei der Trennung von Schafen und Ziegen. Kamele ästen an dornigen Akazien, und vor uns erhoben sich, weit auseinander gezogen, ein paar Tuareg-Lederzelte. Mokhtar beugte sich vor und sagte Byrne etwas auf arabisch, was ich nicht verstand. Byrne nickte und brachte den Wagen zum Stehen. Als der Sandstaub sich in der leichten Brise verzogen hatte, stieg Mokhtar aus und ging zu den Zelten. Er hatte sich das Schwert über den Rücken geschwungen, den Schwertgriff trug er an der linken Schulter. Byrne sagte: »Diese Leute gehören zum Tégéhé-Mellet-Stamm. Mokhtar erkundigt sich bei ihnen. Wenn ein Landrover in der Nähe war, müssen sie es wissen.«
»Wozu das Schwert?«
Byrne lachte. »Ohne Schwert fühlt Mokhtar sich so unbekleidet wie Sie ohne Hosen.« Byrne schien schon etwas menschlicher zu werden.
»Diese Teg-Dingsbums … ist das ein Stamm?«
»Richtig. Die Tuareg-Konföderation im Ahaggar besteht aus drei Stämmen – den Kel-Rela, den Tégéhé-Mellet und den Taitoq. Mokhtar gehört zu den Kel-Rela, und zwar zum Aristokraten-Clan. Deshalb ist auch er zu den Leuten gegangen und nicht ich.«
»Ein Aristokrat!«
»Ja, schon. Aber nicht im europäischen Sinn. Mokhtar ist mit dem Amenokal verwandt – das ist der Chef, der Oberhäuptling der Ahaggar-Konföderation. Sie müssen wissen: Wenn ein aristokratischer Kel-Rela sagt: ›Spring, Frosch!‹ Dann springt eben einfach jeder.« Er machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Außer, vielleicht, ein anderer adeliger Kel-Rela.« Er zuckte die Achseln. »Aber Sie sind ja nicht hergekommen, um Völkerkunde zu studieren.«
»Könnte aber auch ganz nützlich sein«, sagte ich.
Er sah mich von der Seite an. »So lange bleiben Sie nicht hier.«
Mokhtar kam zurück, drei Männer aus dem Camp begleiteten ihn. Alle waren verschleiert und trugen diese langen, fließenden blauen und
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