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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Felsen taten sich vor uns auf. Wie Byrne sagte, befanden wir uns auf einer vielbereisten Straße, aber einem Menschen, der mehr an Stadtstraßen und Autobahnen gewöhnt war, mußte das unwahrscheinlich vorkommen. Die sogenannte Straße war nur daran erkennbar, daß die Felsbrocken hier eine Spur kleiner als anderswo waren, den Wagen schüttelte es heftig, und viel bereist fand ich sie auch nicht, denn auf der ganzen Strecke nach Atakor sah ich keine einzige Menschenseele.
    Fast drei Stunden später wies Byrne voraus: »Assekrem!«
    Vor uns lag ein großer Hügel oder ein kleiner Berg, je nachdem, wie man es sah, und obendrauf ein Gebilde, das nach einem Gebäude aussah. »Ist das ein Haus?« fragte ich und mochte kaum glauben, daß mitten in der Wildnis ein Mensch ein Haus auf einem Berg errichtet hätte.
    »Die Einsiedelei. Ich erkläre es Ihnen später.«
    Byrne hielt am Fuße des Berges an. Spuren längst vergangener Zivilisation schienen hier erkennbar: die Umrisse von einstigen Feldern und ausgetrockneten Bewässerungsgräben. Byrne sagte: »Und nun klettern wir auf den Gipfel.«
    »Um Gottes willen, warum?«
    »Um zu sehen, was auf der anderen Seite ist«, sagte er ironisch. »Kommen Sie schon.«
    Und so erklommen wir den Assekrem. Es war keineswegs eine Bergsteigerleistung. Ein Pfad ging im Zickzack den Berg hoch, steil, doch nicht unbezwingbar; ich fühlte mich trotzdem außer Atem und schnappte nach Luft. Auf halbem Weg hielt Byrne freundlicherweise für eine Atempause an; ihm war nichts anzumerken.
    Ich lehnte mich gegen die Felswand. »Und dabei habe ich mich immer für so fit gehalten.«
    »Das macht die Höhe. Oben sind wir auf dreitausend Meter.«
    Ich sah in die Ebene hinab, wo der Wagen stand und Mokhtar in seinem Schatten saß. »Dieser Berg ist doch nicht dreitausend Meter hoch.«
    »Über dem Meeresspiegel«, sagte Byrne. »Tam liegt bereits anderthalbtausend Meter hoch, und wir sind seitdem immer gestiegen.« Er ordnete seinen Schleier, wie er es immer tat.
    »Was ist das für eine Einsiedelei?«
    »Schon mal von Charles de Foucauld gehört?«
    »Nein.«
    »Ein Franzose. Trappistenmönch. In seiner Jugend angeblich ein Draufgänger, aber in Marokko hat ihn die Religion erwischt. Er legte seine Gelübde ab und kam in die Wüste, um den Tuareg zu helfen. Vermutlich hat er ihnen auch auf seine Weise geholfen. Fast alles, was die Welt von den Tuareg weiß, kommt von de Foucauld.«
    »Wann war das?«
    »So um 1905. Damals lebte er in Tam, und das war kaum ein Dorf. 1911 siedelte er sich hier an und baute mit eigenen Händen diese Einsiedelei. Er war ein Mystiker, müssen Sie wissen, und er brauchte einen Ort für seine Meditationen.«
    Ich betrachtete die vegetationslose Landschaft. »Da hat er sich aber was Feines ausgesucht!«
    »Sie werden es verstehen, wenn wir oben sind. Er blieb nicht lange hier, es hat ihn fast umgebracht. Also ging er nach Tam zurück. Das brachte ihn dann wirklich um.«
    »Wie das?«
    »1916 bestachen die Deutschen die libyschen Senussi, um unter den Wüstenstämmen Unruhen gegen die Franzosen anzustiften. Die Tuareg vom Stamm der Tassili-n-Adscher verbündeten sich mit den Senussi und schickten ein Überfallkommando. Sie setzten de Foucauld gefangen. Sie fesselten ihm die Hände. Und plötzlich war er erschossen. Ein Unfall: Einem hysterischen Bengel von fünfzehn war das Gewehr losgegangen. Nein, sie hatten ihn nicht töten wollen, das glaube ich nicht. Alle Welt wußte, daß er ein marabu war, ein Heiliger.« Er zuckte die Achseln. »Tot war er trotzdem.«
    Ich sah mir Byrne genauer an. »Woher wissen Sie das alles?«
    Er beugte sich vor und sagte gnädig: »Auch ich habe einmal lesen gelernt, Mr. Stafford.«
    Ich wurde rot unter dieser verschleierten Zurechtweisung, aber er lachte nur. »Außerdem habe ich drüben im Tassili mit ein paar alten Herren gesprochen, die 1926 bei dem Überfall auf Tam dabeigewesen sind. Es stimmt gewiß nicht alles, was ich in manchen Büchern gelesen habe.« Er drehte sich halb um, wie um wegzugehen, blieb aber dann doch stehen. »Es lebte übrigens später noch einmal eine ähnliche Figur wie de Foucauld in Tam. Noch gar nicht so lange her. Eine Frau, Engländerin. Daisy Wakefield hieß sie. Mit einem englischen Lord verwandt, wie sie sagte, der mit Erdöl zu tun hatte. Gibt es einen Lord Wakefield?«
    »Den gibt es.«
    »Dann muß er das sein.«
    »Haben Sie sie gekannt?«
    »Sicher. Daisy und ich, wir sind gut miteinander ausgekommen. Durch

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