Atemlos
Ich hatte bereits die Koudia und die Atakor hinter mir – wenn Sie mich fragen: Ich fand die Landschaft bezaubernd.
Byrne fuhr scharf und schnell, wir legten nur wenige Atempausen ein, meistens lediglich, um aus den Kanistern nachzutanken. Billson trank endlich seine Milch aus und konnte bald auch Wasser zu sich nehmen, was zumindest einige seiner Lebensgeister wiedererweckte, richtig bei Sinnen war er immer noch nicht – aber auch das ist ja relativ: Richtig bei Sinnen war er wohl noch nie.
Einmal hielt Byrne an und schickte Mokhtar zu Fuß hinter eine Anhöhe, nach einer Weile tauchte er wieder auf und winkte; Byrne brauste über die Anhöhe hinweg, die andere Seite hinab, um eine sogenannte Landstraße erster Ordnung zu überqueren – die mir freilich überhaupt nicht aufgefallen wäre, wenn Byrne mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.
»Die Hauptstraße, die von Tam nach Norden führt«, sagte Byrne. »Schon besser, wenn uns niemand beim Überqueren sieht.«
»Wohin geht es jetzt?« fragte ich.
»Im weiten Bogen um Tam herum und auf die gegenüberliegende Seite nach Abalessa.«
Dann verfiel er wieder in sein Schweigen und konzentrierte sich aufs Fahren.
Abalessa war, als es endlich vor uns auftauchte, ein Buckel am Horizont. Wir fuhren aber nicht bis ganz hin, sondern schlugen anderthalb Kilometer entfernt unser Lager auf.
Wir hatten noch Gazellenfleisch; daraus kochte Mokhtar eine Brühe für Billson, bevor er Minztee aufbrühte. Byrne brummte: »Kaffee kriegen Sie morgen in Tam. Wenn Sie mich fragen – mir ist ein kaltes Bier lieber.«
»Aber ich dachte …«
»Nein, Billson nicht«, sagte er. »Der bleibt hier bei Mokhtar. Nur Sie und ich. Wir müssen Sie wieder legal machen.«
Ich kratzte mir übers Kinn. In den letzten Tagen hatte ich mich nie rasiert, und ich spürte die Stoppeln. Vielleicht war mir auch schon ein Bart gewachsen. Ich sagte: »Das müssen Sie mir erklären.«
»Also passen Sie auf. Genaugenommen, hätten Sie sich bei Ihrer Ankunft in Tam beim poste de police im Fort Laperrine anmelden müssen. Da Ihr Name auf der Passagierliste des Flugzeuges stand, fragen sich die Bullen natürlich, wo Sie abgeblieben sind.«
»Das muß einem doch gesagt werden. Sie haben mir auch nichts gesagt.«
»Ich sag's Ihnen ja jetzt. Hätten Sie sich ordnungsgemäß im Hotel eingeschrieben, wär's Ihnen da schon gesagt worden.« Er wies auf den Buckel in der Ferne. »Das da drüben, das ist Ihr Alibi. Das Grabmal von Tin-Hinan. Übrigens auch mein Alibi.«
»Tin-Hinan? So heißt doch das Hotel. Liegt da der frühere Besitzer begraben?«
Er grinste. »Nein – die legendäre Urmutter der Tuareg. In Ihrem Gepäck habe ich eine Kamera gesehen. Stimmt's?«
»Ja, ich hab' eine Kamera dabei.«
»Dann steigen wir morgen auf den Buckel, und Sie knipsen ein paar Filme runter, die wir anschließend in Tam zum Entwickeln geben. Das beweist, daß wir hier waren, falls jemand dumm fragt. Ich will verhindern, daß jemand schon jetzt auf die Idee kommt, wir wären in der entgegengesetzten Richtung unterwegs gewesen – im Atakor.«
»Wie lange bleiben wir in Tam?«
»So lang wie nötig, um den kleinen Fettwanst hinterm Schreibtisch zu überzeugen, daß wir uns im Rahmen der Gesetze bewegen – keine Sekunde länger. Die Geschichte, die wir in Tam erzählen, läuft folgendermaßen: Sie sind nach Tam gekommen, haben mich zufällig getroffen und nach dem Grabmal von Tin-Hinan gefragt – Sie hatten davon gehört, es ist berühmt. Daraufhin habe ich gesagt, ich könnte es Ihnen zeigen, und wir haben uns stehenden Fußes auf den Weg gemacht. Hier sind wir dann auch die ganze Zeit geblieben, dieweil Sie wie ein Ferienarchäologe im Sand gebuddelt haben. Aber Achtung: Betonen Sie mir das nicht zu sehr, denn um richtig Archäologie zu betreiben, brauchen Sie auch wieder eine Genehmigung. Und erst gestern abend bin ich dahintergekommen, daß Sie überhaupt noch nicht richtig angemeldet sind, also habe ich Sie spornstreichs zu den Polypen gebracht, damit Sie sich ehrlich machen. Alles kapiert?«
Ich wiederholte die Story in groben Zügen, und Byrne sagte: »Es kommt noch mehr. Der Fettwanst will dann wissen, was Sie weiter vorhaben, und dann sagen Sie ihm, daß Sie nach Süden wollen, nach Agades – das liegt in Niger.«
Ich sah ihn groß an. »Ach ja – da will ich hin?«
»Dringend«, sagte Byrne. Er zeigte auf Billson. »Wir müssen unser Schaf raus aus Algerien ins trockne bringen. Und zwar
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