Atemlos
kniete, sagte er: »Wer sind Sie?«
»Ich bin Max Stafford. Ihre Schwester hat mich geschickt, um nach Ihnen zu suchen.«
»Alix? Wieso weiß sie, wohin ich gereist bin?«
»Das war nicht schwer zu raten«, sagte ich trocken. »Es ist Ihnen hoffentlich klar, was für einen verdammten Unfug Sie angerichtet haben – einfach so abzuhauen.«
Er schluckte. »Ja … Allerdings«, sagte er zögernd. Er blickte an mir vorbei. »Wer sind diese Araber?«
»Es sind keine Araber. Jetzt hören Sie mir gut zu, Paul. Ihr größter Fehler war, ohne Genehmigung in die Atakor hineinzufahren. Wußten Sie denn nicht, daß Ihr Sprit nicht mehr für die Rückfahrt nach Tam reichen würde?« Seine Augen weiteten sich, und er schüttelte den Kopf. »Und dann wurden Sie niedergeschossen. Wer hat auf Sie geschossen – und warum?«
Sein Gesicht wurde leer. Er zog die Stirn in Falten und schüttelte wieder den Kopf. »Kann mich kaum erinnern.«
»Macht nichts«, sagte ich freundlich. »Jetzt werden Sie erst einmal gesund, Paul – falls die Polizei Sie findet, wird man Sie verhaften und ins Gefängnis bringen. Wir wollen versuchen, das zu verhindern.«
Byrne rief: »Sind Sie endlich soweit?« Ich drehte mich um. Aus seiner Stimme klang Ungeduld.
»Komme schon«, sagte ich und stand auf. »Bleiben Sie ruhig liegen.«
Byrne war deutlicher. »Hör zu, Schwachkopf. Du bleibst bei diesem Mann hier und rührst dich keinen verdammten Fußbreit vom Fleck. Eine falsche Bewegung und Mokhtar schlägt dir deinen hirnlosen Kopf ab. Verstanden?«
Paul nickte schwach. Mokhtar hatte sich sein Schwert umgegürtet und stellte aufdringlich sein Gewehr zur Schau. Byrne sagte: »Also keinen Quatsch, oder du bist ein Fraß für die Geier.« Er stapfte von dannen, und ich folgte ihm zum Toyota.
Die Ruinen auf dem Abalessa-Hügel kamen mir gar nicht tuareghaft vor. »Französisch?« fragte ich. »Fremdenlegion?«
»Mensch, nie!« sagte Byrne. »Viel älter. Nach einer Theorie soll es der südlichste Vorposten der Römer gewesen sein; angeblich besteht Ähnlichkeit mit römischen Festungen weiter im Norden. Nach einer anderen Theorie sollen Versprengte einer Legion, die bis hier herunter verschlagen worden waren, Abalessa gebaut haben. Die Römer haben etliche Legionen in Nordafrika verloren.« Er zuckte die Achseln. »Aber das sind nur Theorien.«
»Und was ist mit dieser Tin-Hinan?«
»Kommen Sie her.« Ich folgte ihm. »Hier unten wurde sie gefunden.« Ich spähte in eine kleine Steinkammer, die offensichtlich einmal mit einer maßgerecht behauenen Steinplatte abgeschlossen gewesen war; die Platte lag jetzt daneben. »Es ist immer noch ein Rätsel. Wie erzählt wird, schickte Byzanz ein Paar namens Yunis und Isubahul aus, um die Tuaregs zu regieren: Das müßte um 1400 gewesen sein. Es ist hier auch Schmuck gefunden worden; ein Teil stammt aus dieser Epoche und war oströmischer Herkunft, aber einzelne Münzen stammen aus dem fünften und dem sechsten Jahrhundert. Außerdem hat man eiserne Armreifen entdeckt, wie sie von den Byzantinern nicht getragen wurden.«
Er wechselte den Ton und sagte unvermittelt: »Schluß mit der Volkshochschule. Fangen Sie endlich mit der Knipserei an. Machen Sie auch ein paar Bilder von mir – ich mach dann ein paar, wo Sie mitdrauf sind, wie sich das für bescheuerte Touristen gehört.«
Ich knipste einen Film herunter, Byrne machte ein paar Schnappschüsse von mir, und dann gingen wir auch schon, obwohl ich gern noch eine Weile geblieben wäre: Ich hab' schon immer viel Sinn fürs Mysteriöse gehabt, was ja wohl auch der tiefere Grund ist, warum ich überhaupt in die Sahara geraten bin.
Abalessa liegt knapp hundert Kilometer von Tamanrasset entfernt, und wir bewältigten die Strecke in ungefähr zweieinhalb Stunden – was wir der Tatsache zu verdanken hatten, daß das letzte Stück asphaltiert war. Diese fünfzehn Kilometer waren der einzige Streifen anständiger Straße, den ich in der ganzen Sahara gesehen habe; ich bin nie dahintergekommen, warum ausgerechnet dort mal asphaltiert worden ist. Byrne fuhr am Hotel Tin-Hinan vor. »Gehen Sie rein und machen Sie Ihren Frieden mit der zivilisierten Welt«, sagte er. »Ich höre mich in der Zwischenzeit in der Stadt um. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier. Trinken Sie ein Bier, bis ich komme.«
»Übernachten wir im Hotel?«
»Nein. Sie bleiben bei mir. Aber für die Zimmerreservierung werden Sie wohl zahlen müssen. Geben Sie mir den Film.« Ich
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