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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Mitternachtswache übernommen, um sowohl Byrne als auch Mokhtar eine ununterbrochene Schlafrunde zu verschaffen. Ich wußte nicht, wohin es gehen würde, wenn wir nicht nach Tamanrasset zurückkehrten, aber auf jeden Fall mußten die beiden mich ans Ziel bringen, und deshalb war es für sie wichtiger als für mich, ausgeruht zu sein.
    Billson rührte sich nicht. Aber sein Atem ging regelmäßig, und mir kam es auch vor, als sähe er schon ein wenig besser aus. In einem verzweifelten Augenblick an diesem Abend hatte ich daran gedacht, einfach zurück nach London abzuhauen. Byrne hatte es richtig, wenn auch nicht so höflich formuliert: Billson zog jeden, der ihm in die Nähe kam, in unübersehbare Scherereien hinein; warum sollte ich ihn also nicht im eigenen Saft kochen lassen?
    Aber dann stellte ich mir vor, daß ich dies alles auch Alix Aarvik klarmachen müßte – und da kriegte ich eine Gänsehaut. Außerdem wäre es Byrne und Mokhtar gegenüber nicht fair gewesen – die hatten sich die nämlichen Risiken an den Hals geladen, ebenfalls wegen eines Mannes, den sie nicht kannten. Und schließlich mußte jemand zur Stelle sein, wenn der Idiot wieder zu sich kam und außer Landes geschafft werden mußte; Geld hatte er ja nun auch nicht mehr. Zu guter Letzt: London war weit und versank für mich immer ferner im Dunst; irgendwie – auf eine ziemlich masochistische Weise – machte mir das Leben in der Wüste Spaß.
    Ich nahm das Gewehr zur Hand und betrachtete es im schwachen Feuerschein. Es war eine englische Lee-Enfield 303, und aus der niedrigen Seriennummer zu schließen, mußte sie schon im Ersten Weltkrieg – sicher auch im Zweiten – Dienst geleistet haben. Ich nahm das Magazin heraus, auch die Patrone in der Kammer, und schaute dann durch den Lauf ins Feuer. Die Waffe war sauber wie eine Jungfrau. Mokhtar hätte von jedem Sergeanten eine lobende Erwähnung für vorbildliche Waffenpflege bekommen. Ein liebevoll gehegtes Stück. Ich lud die Lee-Enfield wieder und legte sie neben mich. Dann sah ich noch einmal nach Billson.
    Gegen Ende meiner Wache fing er an, sich zu bewegen, gerade als ich Byrne wecken wollte. Er murmelte vor sich hin, zusammenhangloses Gebrabbel. Ich legte ihm die Hand auf die Stirn, Temperatur hatte er nicht.
    Ich rüttelte Byrne wach. »Billson kommt zu sich.«
    »Okay. Ich kümmere mich um ihn.« Byrne sah zum Himmel hoch, um die Zeit festzustellen; eine Uhr trug er nicht. »Legen Sie sich schlafen. Wir brechen früh auf. Unsere nächste Etappe ist Abalessa.«
    Es war ziemlich kalt geworden. Ich wickelte mich in meine Dschellabah und legte mich lang. Was Abalessa bedeutete, war mir keine Gedankenakrobatik mehr wert. Ich schlief sofort ein.
    Morgens schien es Billson allem Anschein nach besser zu gehen. Er war noch immer benommen, und ich zweifelte, ob er da schon wußte, wo er war oder was um ihn vorging. Wir betteten ihn hinten im Toyota auf die Kamelhaardecke, die am Vorabend als Windschutz gedient hatte, und zusätzlich noch auf ein paar Dschellabahs. »Sobald wir aus der Atakor raus sind«, sagte Byrne, »kann ich Kamelmilch besorgen und vielleicht sogar heiße Suppe. Das hilft am besten.«
    Byrne sagte auch, wir hätten eine lange Strecke vor uns, also fuhr er schnell. Hinter der Atakor trafen wir wieder auf das Tuareg-Lager, wo wir auf dem Hinweg haltgemacht hatten. Die Tuareg packten eben ihre Zelte zusammen, um nach Gottweißwohin umzusiedeln, aber Mokhtar machte trotzdem bei ihnen noch eine warme Kamelmilch locker. Byrne hatte lässig eine Dschellabah über Billson geworfen und stand Wache neben dem Wagen. »Muß ja nicht gleich jeder unser Frachtgut sehen«, sagte er.
    Wir ließen das Lager hinter uns und hielten erst in einiger Entfernung wieder an, um Billson mit einem Löffel die Kamelmilch einzuflößen. Danach machte er schon einen besseren Eindruck, allerdings fing jetzt die Haut an, sich in langen Streifen von seinem Gesicht und seinen Händen abzuschälen. Mokhtar rieb ihn noch einmal mit seiner Salbe ein, und schon ging es weiter. Byrne trat das Gaspedal stärker durch, das Gelände war jetzt befahrbar.
    Freilich, wer frisch aus Europa kam, mußte die Landschaft immer noch für grauenerregende Wildnis halten. Keine Erde, nur Sand, als Vegetation ein gelegentliches Büschel Dünengras und ein paar verstreute Dornbüsche, denen ich, obzwar sie von Kamelen für eine Delikatesse gehalten werden, nichts abgewinnen konnte. Aber ich kam nicht geradewegs aus England.

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