Atemlos - Toedliches Erbe
Kinn. Kein Gramm Fett, nur Mengen steinharter Muskulatur. Durchtrainiert. Sie standen gut zehn Meter auseinander, trotzdem konnte Rand über Dakotas leuchtenden Kopf hinweg seine toten, schwarzen Augen bestens erkennen.
»Versuchs doch«, erwiderte er kaltschnäuzig. »Das Mädchen bedeutet mir nichts. Und tu dir keinen Zwang an, auf mich zu schießen. Policia e Shtetit sind schon im Anmarsch. Wir haben sie angerufen, damit sie die Leichen abtransportieren.« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Sie werden hier sein, ehe du auch nur ›Piep‹ sagen kannst. Wie ich höre, ist es in Pequin während der Wintermonate besonders nett.«
Das Hochsicherheitsgefängnis war bekannt für seine unmenschliche Behandlung der Gefangenen und die völlige Missachtung jeglicher Menschenrechte. Albaner hegten ein tiefes Misstrauen gegen ihr Justizsystem, sodass allein der Name Pequin reichte, um die Männer auf der Stelle innehalten zu lassen.
Jedenfalls für ein paar Sekunden. Dann feuerte einer der Männer aus seiner Semiautomatik einen Kugelhagel ab. Der Feuerstoß verfehlte Rand um fast einen Meter, trotzdem spürte er den Luftzug an seinem Ohr. Stoppelbürste blaffte ein Kommando in einer Sprache, die vermutlich Griechisch war, und machte eine herrische Bewegung mit dem Kinn, woraufhin seine Männer Rand umzingelten – ohne Waffen.
Demnach wollten sie sie lebend. Die Bedeutung dessen konnte man später noch bewerten, sofern es denn ein Später gab.
Rand spreizte die Beine und balancierte sein Gewicht über den Knien, als sich die fünf Männer auf ihn stürzten. Er hatte diese Hau-drauf-Actionszene trainiert und die Schläge einstudiert, damit eine solche Szene so authentisch wie nur möglich wirkte – vor der Kamera. Wieder und wieder. Wiederholung für Wiederholung. Für ihn sprach sein motorisches Gedächtnis. Allerdings hatte er keine Anweisung, niemanden zu erschießen, also feuerte er einfach mitten in den Mob.
Einer war erledigt, blieben noch vier. Dem am nächsten stehenden Kerl hämmerte er die Glock mit einem befriedigenden Knirschen auf das Nasenbein. Er sank heulend zu Boden, als ihm das Blut aus Nase und Mund schoss.
Der Nächste – silbergraues Haar und Babyfresse – stürzte sich von hinten auf ihn. Doch Rand war längst herumgewirbelt und ließ das Bein vorschnellen.
Krack
. Blut schoss Babyface aus Mund und Nase. Er war bewusstlos, ehe er auf dem Betonboden aufkam.
Verteidigung. Angriff. Ein Tritt in den Hintern. Das Blut pumpte. In Gedanken schon drei Schritte voraus, drehte er sich um die eigene Achse.
Rand nahm Schwung auf und warf sich mit dem Kopf voran gegen den nächsten Kerl, traf ihn in der harten Magengegend und schlang die Arme um ihn wie ein Wrestler. Als er gerade wieder hochkommen wollte, verpasste ihm irgendjemand einen Tritt, und der Schmerz strahlte seine ganze Körperseite hinab. Er harter Schlag gegen den Hinterkopf brachte ihn ins Torkeln. Er ignorierte den schwarzen Grieß vor seinen Augen, packte die Hand des Kerls und bog ihm die Finger zurück wie kleine Zweige. Bis er auf den Knien lag. Rammte ihm dann das Knie gegen die Speiseröhre.
Taumelnd rappelte er sich wieder auf – und erblickte Stoppelbürste, der Dakota halb aus dem Gebäude trug, halb zerrte. Verdammt! Alles war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen.
Dakota
war es, auf die sie es abgesehen hatten.
Auf des Messers Schneide.
Er feuerte, ohne zu zögern, ohne jede Raffinesse. Seine Kugel erwischte Stoppelbürste an der Schläfe, Zentimeter über Dakotas Kopf. Der Schrei, den sie ausstieß, ließ einem das Blut in den Adern gefrieren, als der Mann hinter ihr zusammenklappte und sie fast mit zu Boden riss.
Jetzt hielt sich nur noch ein Kerl auf den Beinen, und der war besser im Entgegennehmen von Befehlen als in der Improvisation: Der Verlust seines Anführers lähmte ihn. Nestelnd versuchte er, seine Waffe richtig in den Griff zu bekommen. Dakota versuchte auszuweichen. Er packte ihren Arm, woraufhin sie ihre Tasche schwang und ihm an den Schädel donnerte. Der von ihm abgefeuerte Schuss ging irgendwo ins Nichts. Sie zog den Kopf ein, als die Kugel mit einem blechernen Geräusch vom Metalldach abprallte.
Mit leichenblassem Gesicht schwang das Arschloch seine Waffe jetzt in Richtung Rand und schrie die anderen an, sie sollten wieder auf die Beine kommen und ihm helfen – das Ganze in einem Gemisch aus Italienisch, Griechisch und gebrochenem Englisch. Sein Hilferuf bedurfte keiner Übersetzung: Er war
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