Atevi 1 - Fremdling
reichte Bren die Hand, um ihm beim Absteigen behilflich zu sein.
Dem, der an der nächtlichen Scharade beteiligt gewesen war, mochte Bren nicht so schnell verzeihen. Aber immerhin zählte er nicht zu den Feinden, und er hatte ja auch nicht übermäßig zugelangt, sondern nur mit Nachdruck zu verstehen gegeben, daß Gegenwehr zwecklos war.
Also schluckte Bren seinen Ärger, grummelte: »Danke, Nadi«, rutschte aus dem Sattel – und sackte auf kraftlosen Beinen in sich zusammen. Er wäre sicherlich den Hang hinuntergekugelt, hätte ihn Cenedis Mann nicht aufgefangen. Ein zweites Dankeschön war fällig. Er ließ sich die Zügel geben und humpelte zur Seite, um sich im Abstand zu den anderen auf den Boden zu setzen. Jeder Schritt schmerzte, aber immerhin spürte er, wie das Blut wieder die Stellen erreichte, die er schon abgestorben wähnte.
Die Augen wässerten im kalten Wind, und er hob den gezerrten Arm, um die Tränen abzuwischen. Schwindelnd blickte er den Hang hinunter. Seine Sinne waren benommen und die Gedanken durchkreuzt von schrecklichen Erinnerungen an die vergangene Nacht im Keller. Statt sich, wie vorgenommen, hinzusetzen, blieb er stehen, verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und hielt die Zügel, während Nokhada mit ihren metallbewehrten Stoßzähnen einen dürren Strauch entwurzelte und Zweig um Zweig zerkaute.
Die Kälte milderte seine Schmerzen. Er wollte einfach nur abschalten und Nokhada beim Fressen zusehen, doch die Sorgen ließen ihm keine Ruhe. Hatten es Banichi und Jago geschafft, von Malguri zu fliehen?
Und Ilisidi? Ihre Motive und Absichten waren ihm nach wie vor ein Rätsel. Daß er sich halbwegs sicher fühlte, war allein der Geduld geschuldet, mit der man auf Banichi wartete. Und dennoch, Cenedi könnte sein Vorhaben vom Vortag wieder aufgreifen und versuchen, den Paidhi zum Reden bringen, mit allen Mitteln, denn Cenedi kannte keine Skrupel, wenn es darum ging, der Aiji-Mutter dienlich zu sein.
Wie viele Menschen leben auf Mospheira, Nand’ Paidhi?
Bren wünschte ernsthaft, die Pistole dabeizuhaben, doch Djinana hatte sie ihm nicht eingepackt. Wo mochte sie jetzt sein? Hoffentlich wieder in Banichis Besitz und nicht in den Händen derer, die sie als Beweismittel in einem Verfahren gegen Tabini-Aiji vorlegen würden.
Steine rollten den Hang herab. Ein reiterloses Mecheita wühlte oberhalb im Boden herum. Nokhada richtete die Ohren auf, kaute aber ungestört weiter.
Plötzlich wurden alle Mecheiti hellhörig; wie auf ein Kommando hoben alle den Kopf und blickten zum Rand des Hügels, hinter dem der Fahrweg zum Vorschein trat.
Die Männer suchten Deckung. Cenedi stürmte herbei, riß ihn von Nokhada weg und zerrte ihn mit sich hinter einen Felsen.
Dann hörte auch Bren das Motorengeräusch. Beim ersten Anzeichen von Gefahr hatten sich die reiterlosen Mecheiti um Babs versammelt, den Ilisidi im Zaum hielt und somit die ganze Herde.
Das Brummen des Motors näherte sich, wurde lauter.
Die Männer blickten auf Cenedi, der ihnen mit erhobener Hand bedeutete, in Deckung zu bleiben.
Irgend etwas ratterte, knallte und hallte über die Hügel.
Was war das? Bren hielt die Luft an.
Und dann hörte er eine dumpfe Explosion. Die Muskeln verkrampften sich, und das Herz raste vor Angst, als Cenedi seinen Posten verließ, von einer Deckung zur anderen lief und seinen Leuten befahl, sich bergaufwärts zurückzuziehen.
Sie rückten ab. Das Rattern war Maschinengewehrfeuer; die Wiederholung ließ keinen Zweifel daran. Ein Schußwechsel. Cenedi trieb zur Eile an. Seine Zeichen und Gesten waren eindeutig; sie galten vor allem ihm, Bren. Doch er war wie gelähmt vor Schrecken und starrte nach unten in der Hoffnung, Banichi und Jago auf dem Weg auftauchen zu sehen.
Daß geschossen wurde, konnte nur bedeuten, daß die beiden in der Nähe waren, gleich hinter dem Hügel, vom Feind bedroht…
Vom Wind getrieben, rollte schwarzer Rauch über den Weg. Und mit ihm tauchte, wie Bren erkennen konnte, eine schwarz uniformierte Gestalt auf. Ein einzelner Ateva, der vom Weg abbog und stolpernd den Hang heraufhastete, auf die Gruppe zu.
Jago! Bren sprang auf und lief ihr entgegen, glitt aus auf losem Geröll, rutschte, schürfte sich die Hände auf. Auf halbem Weg trafen sie zusammen, beidermaßen keuchend.
»Ein Überfall«, rief sie, »bei den Zinnen. Sie müssen weg! Sagen Sie Cenedi, daß er abziehen muß. Sofort!«
»Wo ist Banichi?«
»Verschwinden Sie endlich! Der Panzerwagen
Weitere Kostenlose Bücher