Atevi 1 - Fremdling
Banichi und Jago abzuschütteln, um ganz allein und nach eigenem Gutdünken über den Paidhi zu verfügen. Cenedi würde ihn bestimmt mit Freuden an den höchstbietenden Gegner verschachern. Es war dieser unterschwellige Verdacht gewesen, der Bren spontan dazu getrieben hatte, Banichi zu Hilfe zu eilen. Daß er dadurch Ilisidi brüskierte, war nach seinem – menschlichen – Ermessen ein läßlicher Fehltritt.
Nicht aber für Cenedi. Und offenbar nicht einmal für Jago – und das konnte er nicht verstehen oder akzeptieren.
»Haben Sie mich verstanden, Nadi? Hören Sie mich?«
»Wo sind Algini und Tano?« wollte er wissen.
»In einem Boot auf dem See«, antwortete sie. »Die beiden sollten von Ihrer Spur ablenken und die Gegner auf eine falsche Fährte locken. Aber jetzt können wir von Glück reden, wenn…«
Jago stockte und blickte zum Himmel auf. Und spuckte einen Fluch aus, den er noch nie von ihr gehört hatte.
Er folgte ihrem Blick. Es klingelte ihm immer noch in den Ohren, und so hörte er nicht, was sie hörte.
»Flieger«, sagte Jago. »Verdammt.«
Sie ließ sich hinter Bren zurückfallen, als Ilisidi das Tempo beschleunigte und mit Babs am Flußufer entlangpreschte, dicht an der Bergwand und dem Talausgang entgegen. Nokhada drängte unaufhaltsam zur anführenden Gruppe vor.
Jetzt hörte auch Bren das Flugzeug kommen. Es war beileibe keine Maschine auf planmäßiger Verkehrslinie. Der Motor dröhnte bedrohlich tief. Bren geriet in Panik und war drauf und dran, aus dem Sattel zu springen und zwischen den Felsen in Deckung zu gehen. Aus der Luft auf wehrlose Opfer zu schießen war nicht fair, nicht kabiu, im Sinne guter Tradition oder jener Konventionen, nach denen die Atevi früher ihre Kriege ausgetragen hatten. Doch bei wem sollte er sich beklagen, wenn nicht bei sich selbst und den Menschen. Schließlich war er das Streitobjekt, und es waren von Menschen entwickelte Waffen, mit denen sich die Atevi nun bekämpften.
In geschlossener Reihe folgten sie dem Flußlauf im Schatten der Bergwand, Ilisidi und Cenedi an der Spitze, Nokhada dahinter. Cenedi drehte sich um und schaute zum Himmel.
Der Motorenlärm schwoll an. Konnte es sein, daß die Maschine – widerrechtlich – mit Bordgeschützen ausgestattet war? Die Konstrukteure auf Mospheira hatten mit ihren Bauplänen solche Umrüstungsversuche von vornherein zu verhindern oder zumindest zu erschweren versucht, denn die Insel lag in Reichweite selbst kleinerer Flugzeuge. Pläne für Zielvorrichtungen und dergleichen waren nie Bestandteil des Technologietransfers gewesen, und es gehörte zur Aufgabe des Paidhi, der Bedrohung durch Aufrüstung vorzubeugen.
All diese Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, als die Maschine hinter dem Bergrücken auftauchte und im Tiefflug herangerast kam, direkt auf sie zu. Die Reiter um Bren zogen ihre Pistolen; einige brachten Gewehre in Anschlag. War nun das Flugzeug mit Geschützen bestückt oder saß da womöglich nur ein Hasardeur am Steuerknüppel, der nichts weiter im Sinn hatte, als sie zu erschrecken? Gleich, dachte Bren, mußte die Antwort fallen.
Die Hülle der Maschine war vermutlich ungepanzert. Eine gezielte Kugel würde das Blech durchdringen, den Piloten ausschalten oder ein wichtiges Aggregat außer Funktion setzen können. Aber Bren kannte den Typ nicht genau. Der war nicht auf seiner Liste und wahrscheinlich zu Wilsons Zeiten gebaut worden.
Das Flugzeug röhrte über sie hinweg. Sprengkörper zerbarsten donnernd in der Luft. Die Mecheiti scheuten und sprangen schreiend auseinander. Die Feuerbälle verpufften zu Rauchwolken. Vom Hang lösten sich Steinplatten und Geröll.
»Die werfen Minen ab«, hörte er jemanden rufen.
Nein, wußte Bren. Bomben. Oder Granaten. Anscheinend hatten ihre Zahlenmagier den Zündzeitpunkt bestimmt. Aber denselben Fehler würden sie nicht noch mal machen. »Sie haben sich verrechnet«, sagte er zu Banichi, der auf seinem Mecheita neben ihm halt gemacht hatte. »Die Dinger sind zu früh losgegangen. Aber sie werden jetzt die Zündung neu einstellen. Wir dürfen es nicht auf einen zweiten Versuch ankommen lassen.«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Banichi. Atevi schwitzten eigentlich nicht. Banichi aber schwitzte. Sein Gesicht hatte eine merkwürdige Farbe angenommen, doch ruhig und methodisch wechselte er das leergeschossene Magazin seiner Waffe gegen ein volles aus, von denen noch einige an seinem Gürtel steckten.
Der Flieger kehrte zurück und brachte
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