Atevi 1 - Fremdling
Bewegung des Lichts war auf so unheimliche Weise stetig und drängend, daß Manadgi spürte, wie sich ihm die Haut zusammenzog.
Angenommen, dachte er, das sind Uhrwerke, diese Maschinen. Was wäre, wenn sie aufgezogen und, von ihren Besitzern freigelassen, das Werk der Zerstörung aus eigenem Antrieb fortführten?
Jetzt stach aus dem Hinterteil der klappernden Maschine ein Lichtstrahl ins Dunkle und kam Manadgi bedrohlich nahe. Er zog sich zurück, blieb aber dann wie angewurzelt stehen, als er unter sich zwischen Büschen und Gräsern im Licht der Maschine blankes Glas auf dürrem Metallgestänge schimmern sah.
Ein Auge, dachte er; ein einzelnes Maschinenauge, ihm zugewandt, aber unbewegt. Vielleicht hatte es ihn noch nicht entdeckt.
Manadgi war gekommen, um auf die Fremden zuzugehen. Aber nicht darauf; darauf zugehen wollte er nicht. Er wagte es nicht, Luft zu holen, rührte sich nicht aus Angst, das Ding könnte sich auf ihn zubewegen. Wie lange schon, so fragte er sich, war dieses Auge auf ihn gerichtet, ohne daß er es bemerkt hatte.
Dann wurde es wieder dunkel; die Maschine verschwand hinter den Büschen. Er ging in die Hocke, bereit aufzuspringen, gleichzeitig aber auf der Hut, seine Deckung preiszugeben, da zu fürchten war, daß ihm ein weiteres Auge mit mechanischer Geduld auflauerte; womöglich vermochte es durch Sträucher und Felsen hindurchzuspähen. Aber offenbar war es ihm bislang irgendwie gelungen, unentdeckt zu bleiben. Er fing zu zittern an eingedenk der Vorstellung, daß die Zukunft seines Volkes nun womöglich entscheidend von ihm abhing, von seiner Einschätzung der Lage, die aber kaum ausgewogen sein konnte, da er nicht einmal wußte, wie groß die Anzahl der Fremden war. Dennoch, er mußte entscheiden und die Dinge ins Rollen bringen, auf Gedeih oder Verderb des Aiji und vieler, vieler Leben, die von ihm abhängig waren.
Soviel stand fest: Das Mondvolk hatte nicht das Recht, in das Land der Tachi und den Einflußbereich des Aiji einzudringen. Es hatte in seiner Arroganz schon großen Schaden angerichtet und somit alle Völker herausgefordert. Und es lag an ihm, Manadgi, zu entscheiden, was zu tun war. Sollte er riskieren, daß diesem Auge Beine wuchsen, um loszurennen und Meldung zu erstatten; oder daß es mit lauter Stimme weitere Augen aufmerksam machte und die klauenbewehrte Maschine zurückriefe?
Bisher war nichts dergleichen geschehen. Vielleicht war es außer Funktion. Vielleicht war es selbst nur Teil einer Maschine und womöglich beschädigt. Dieses Zeug kam ja aus dem Himmel, und es mochte durchaus sein, daß eines der Blütenblättersegel versagt und zum Absturz auf die Felsen geführt hatte.
Vorsichtig und leise schlich Manadgi weiter zurück, weg von diesem fraglichen Auge, das womöglich auch Ohren hatte und das Rascheln seiner Kleider, sein Atemholen oder sogar – auch das war denkbar – sein Herzklopfen hören konnte. Doch das Auge schien blind zu sein; womöglich schlief es – oder tat nur so als ob. Konnten Uhrwerke hören, riechen oder gar denken?
Konnten sie sich bewegen? Waren sie in der Lage, ihre Schalter selbständig an- und auszustellen? Unvorstellbar.
Jedenfalls blieb es untätig. Manadgi richtete sich auf und schlich den Hang hinauf. Glücklicherweise begegnete ihm zwischen den Gräsern kein weiteres Auge.
Auf der Hügelkuppe angekommen, ließ er sich zwischen Felsblöcken nieder und atmete tief durch, um seine Nerven zu beruhigen.
Er dachte: Es wäre besser gewesen, der Aiji hätte nicht ihn, den Sprecher, losgeschickt, sondern einen seiner Assassinen, einen seiner Wachsoldaten, die mit der Gefahr vertraut waren, sich lautlos zu bewegen verstanden und eine Bedrohung richtig einzuschätzen wußten.
Er, Manadgi, war nicht der richtige für eine solche Aufgabe; das hatte er inzwischen eingesehen. Für ihn empfahl es sich jetzt, zurückzukehren und zu berichten, was er gesehen hatte. Er würde dem Aiji und den Mitgliedern des Hasdrawad raten, Kundschafter auszuschicken, die sich gegebenenfalls auch zur Wehr setzen könnten. Einen sicheren Weg der Annäherung sah Manadgi nicht.
Aber hatte ihn eine der Maschinen angegriffen? Hatten sie den Kindern ein Leid zugefügt? War Vieh aus den Herden der Tachi zu Schaden gekommen?
Manadgi mußte sich eingestehen, daß ihm vorhin die Angst ein Schnippchen geschlagen hatte. Den Maschinen war zwar vorzuwerfen, daß sie Landstriche verwüsteten, nicht aber, daß sie den Hirten oder ihrem Vieh nach dem Leben
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