Atevi 1 - Fremdling
Vorwurf.
Banichi sagte: »Ich wollte nicht, daß neugierige Fragen gestellt werden.«
»Was der Eindringling wollte, ist nicht klar?«
»An einen versuchten Raubüberfall glaube ich nicht. Eher an ein versuchtes Rendezvous…«
»Nein«, widersprach Bren entschieden, empört über diese Andeutung. Doch Tabini kannte ihn und wußte nur zu gut, daß Atevifrauen ein Faible für ihn hatten. Darüber wurde gern gewitzelt, zumeist auf seine Kosten.
»Keine Verehrerin?«
»Nein, Aiji-ma.« Nur das nicht, hoffte er inständig, erinnerte er sich doch, daß Jago auf der Terrasse Blutspuren entdeckt hatte.
Tabini-Aiji streckte die Hand aus und berührte seinen Arm, als wollte er sich entschuldigen für seine leichtfertige Unterstellung. »Ich nehme die Sache durchaus ernst. Sie sollten in Zukunft darauf achten, daß Fenster und Türen verschlossen bleiben.«
»Die Tür zum Garten ist aus Glas und leicht einzuschlagen«, meinte Banichi. »Aber daran etwas zu ändern wäre unklug, weil dadurch argwöhnische Fragen aufgeworfen würden.«
»Wie war’s mit einem Draht?« fragte Tabini.
Bren zeigte sich entsetzt. Diese tödliche Schutzmaßnahme sicherte die Gemächer des Aiji; doch er, Bren, wollte davon nichts wissen.
»Ich werde dafür sorgen«, sagte Banichi.
»Womöglich tappe ich dann selbst in die Falle«, protestierte Bren.
»Ach was«, entgegnete Tabini; und an Banichi gewandt: »Veranlassen Sie alles Nötige. Heute noch. An jeder Tür. Die Schlösser müssen ausgewechselt werden. Sein Schlüssel zur Entsicherung.«
»Aiji…«, hob Bren zu sprechen an.
»Ich habe heute noch viele Gespräche zu führen«, entgegnete Tabini; mit anderen Worten: Sei still! Wenn er einen solchen Ton anschlug, war es ratsam zu gehorchen. Die beiden zogen sich zurück. Bren blieb auf der vierten Podeststufe stehen, wo er für gewöhnlich seinen Platz einnahm.
»Warten Sie hier«, sagte Banichi. »Ich hole den neuen Schlüssel.«
»Banichi, ist jemand hinter mir her?«
»Sieht so aus, oder? Es war jedenfalls bestimmt keine Verehrerin.«
»Wissen Sie mehr als ich?«
»Allerdings. Was interessiert Sie?«
»Mein Leben.«
»Passen Sie auf den Draht auf. Die Gartenseite wird ebenfalls mit einem Schlüssel aktiviert und entsichert. Und ich werde Ihr Bett von der Terrassentür wegrücken lassen.«
»Aber es ist Sommer und sehr heiß.«
»Gewisse Unannehmlichkeiten hat jeder.«
»Ich wünschte, es würde mir jemand mal sagen, was eigentlich los ist.«
»Sie sollten die Damen nicht gegen sich aufbringen.«
»Sie machen Witze.«
Natürlich, Banichi versuchte wieder einmal, dem eigentlichen Problem auszuweichen. Und statt Auskunft zu geben, machte er sich mit vergnügter Miene auf den Weg, um das Zimmer in eine Todesfalle zu verwandeln, stromleitende Matten vor die Türen zu legen und Schaltkreise zu schließen, die auch ihm, Bren, zum Verhängnis werden könnten, wenn er unbedacht oder schlaftrunken an die Gartentür träte.
Der nächtliche Vorfall hatte ihn verängstigt. Jetzt war er wütend und frustriert darüber, daß sein Alltag gestört und seine Bewegungsfreiheit beschnitten wurde. Er sah es kommen: ständige Bewachung, Restriktionen, Drohungen… und das alles womöglich nur, weil irgendein Verrückter aus irgendwelchen Gründen Menschen nicht leiden konnte. Das war die einzige Erklärung, die Bren plausibel fand.
Er setzte sich auf die Stufe, die ihm, dem Paidhi-Aiji zugewiesen war. Er hörte den Gesprächen, die der eigentlichen Audienz vorangingen, aufmerksam zu. Vielleicht, so dachte er, war eine Gefahr von politischer Dimension im Schwange. Doch die Art, wie Banichi ihm Informationen vorenthielt, und Tabinis Schweigen, mit dem er nicht verhehlen konnte, sehr viel mehr über den Fall zu wissen – all das sprach eher dafür, daß es sich bei dem Eindringling wahrscheinlich doch nur um einen Einzelgänger mit persönlichen Ressentiments handelte.
Ein echter, lizensierter Assassine, der noch recht bei Verstand war, würde sich niemals auf einen Menschen ansetzen lassen, der ein wichtiges Amt bei Hofe bekleidete und außerdem mit dem Aiji des Westbundes auf vertrautem Fuß stand.
Doch wer mochte einen Groll gegen ihn hegen? Oder gegen das, was er als Mensch gleichsam symbolisch verkörperte, also zum Beispiel gegen technischen Fortschritt oder dergleichen? Wie war einer solchen Person auf die Schliche zu kommen?
Immerhin tröstete ihn der Gedanke, daß es wohl kein Assassine war, der ihn bedrohte, sondern aller
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