Atevi 1 - Fremdling
Freund der Menschen auf diesem Planeten.
Auf Paidhiin läßt sich verzichten, nicht aber auf Mospheira. Wir können uns nicht die ganze Welt zum Feind machen. Sie verfügt inzwischen über Flugzeuge, über Radar, über alle möglichen technologischen Mittel.
Sie hat uns bald nicht mehr nötig.
Die Zimmertür ging auf, und Jago kam herein, vermutlich um die beiden Dienstboten zu beaufsichtigen, von denen nichts anderes zu hören gewesen war als »Noch etwas hiervon, Nadi?« oder »Zucker im Tee?«
Mord und Taigi hatten solche Fragen nie zu stellen brauchen. Er vermißte sie bereits und fürchtete, daß sie nicht mehr zurückkehren würden, daß sie womöglich schon woanders eingesetzt wären – hoffentlich zu Diensten eines unproblematischen, einflußreichen und durch und durch normalen Ateva. Hoffentlich nicht in den Händen der Polizei, um dort über ihn, Bren, im besonderen und über die Menschen im allgemeinen ausgehorcht zu werden.
Banichi drängte zum Aufbruch und öffnete ihm die Tür. Bren kam sich eher wie ein Gefangener vor denn als Schutzbefohlener.
»Aiji-ma.« Bren legte die Hände auf die Knie und verbeugte sich untertänigst. Tabini trug Hemd und Hose, leger und alles andere als förmlich. Er saß im Sonnenlicht vor offenen Türen in luftiger Höhe, hoch oben über den abfallenden Terrassen, dem alten Gemäuer des Bu-javid. Darüber entfalteten sich rötlich schimmernde Ziegeldächer, die nach Maßgabe numerologischer Bedeutung günstig proportioniert aufeinander ausgerichtet waren und auch ein harmonisches Verhältnis zum Weichbild der Stadt eingingen, die die Burg umschürzte. In der Ferne, jenseits der Ebene, erhob sich aus morgendlichem Dunst das Bergid-Massiv – ein herrlicher Anblick.
Vor diesem Panorama frühstückte Tabini an einem gedeckten Tisch, der zur Hälfte bis auf den Balkon hinausragte. Mit einer Handbewegung wies er seine Diener an, zwei weitere Gedecke zu bringen, und ließ Bren und Banichi Platz nehmen. Ganz zwanglos.
»Ich hoffe, es ist zu keinem weiteren Zwischenfall gekommen«, sagte Tabini.
»Nein, Aiji-ma«, antwortete Banichi.
»Die Sache beunruhigt mich sehr«, sagte Tabini und nippte von seinem Tee. »Und es tut mir leid, daß dieser Fall nun Gegenstand allgemeiner Spekulationen geworden ist. Aber ich mußte damit an die Öffentlichkeit; mir blieb keine andere Wahl. Sind Sie, Bren-Paidhi, während der gestrigen Sitzung auf irgendeine Weise behelligt worden?«
»Nein«, antwortete Bren. »Allerdings muß ich bekennen, daß ich nicht besonders aufmerksam war.«
»Haben Sie Angst?«
»Ich bin verwirrt.« Er war sich über seine Gefühle selbst nicht so recht im klaren. »Verwirrt darüber, der Grund für so viel Aufregung zu sein, wo es doch meine Aufgabe ist, Ihnen behilflich zu sein.«
»Ihre Antwort klingt sehr diplomatisch.«
»Zugegeben, ich bin auch ziemlich verärgert, Aiji-ma.«
»Verärgert?«
»Weil ich mich nicht frei bewegen und tun und lassen kann, was ich will.«
»Das ist doch einem Paidhi ohnehin nicht möglich. Sie sind schließlich auch sonst immer in Begleitung, ob Sie in die Stadt gehen oder auf Reisen. Und wie ich Sie kenne, verzichten Sie auf heimliche, amouröse Abenteuer. Darin – und davor wird Sie Banichi sicherlich gewarnt haben – liegt die größte Gefahr.«
»Aber ich bin hier zu Hause, Aiji-ma. Es stört mich, daß ich mich vor jedem Schritt in acht nehmen muß, selbst innerhalb der eigenen vier Wände. Und ständig ist zu befürchten, daß irgendein armer Diener mit dem alten Schlüssel in meine Wohnung zu kommen versucht. Es sind doch alle gewarnt worden, hoffe ich?«
»Keine Sorge«, antwortete Banichi.
»Ich sorge mich aber«, sagte Bren über die an den Mund geführte Teetasse hinweg. »Verzeihen Sie, Aiji-ma.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ihre Sorgen und auch Ihre Klagen sind berechtigt, und ich will nicht, daß Sie darunter leiden müssen. Es wäre deshalb gut, wenn Sie für eine Weile nach Malguri gingen.«
»Malguri?« Tabinis Feriensitz am Maidingi-See, den er immer gegen Herbstbeginn aufzusuchen pflegte, wenn die Regierung Urlaub machte. Der Ort lag tief im Landesinneren. So weit war Bren noch nie gereist; so weit hatte es noch keinen Menschen verschlagen. »Werden Sie auch da sein, Aiji-ma?«
»Nein.« Tabinis Tasse war leer. Ein Diener schenkte nach. Tabini rührte zwei Stücke Zucker ein. »Meine Großmutter residiert dort. Sie haben sie noch nicht persönlich kennengelernt, oder? Nein,
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