Atevi 1 - Fremdling
ich glaube, das Vergnügen hatten Sie noch nicht.«
Bren schüttelte den Kopf. Der Aiji-Mutter zu begegnen war für ihn ein fast größerer Schrecken als die Furcht vor Assassinen. Ein Glück, daß sie nach dem Tod ihres Mannes in der Nachfolgerwahl unterlegen gewesen war. »Verzeihen Sie, aber könnte es nicht sein, daß ich auf Malguri womöglich noch größeren Gefahren ausgesetzt bin?«
Tabini lachte und krauste die Nase. »Sie freut sich über jede Gelegenheit zu streiten, wohl wahr, ist aber in letzter Zeit sehr viel zurückhaltender geworden. Sie behauptet, daß es mit ihr zu Ende geht.«
»Das behauptet sie seit fünf Jahren schon«, brummte Banichi. »Aiji-ma.«
»Sie werden mit ihr zurechtkommen«, versicherte Tabini. »Sie sind ja Diplomat und wissen sich entsprechend zu verhalten.«
»Ich könnte doch auch nach Mospheira ausweichen, wenn es nötig ist, daß ich von hier verschwinde. Das käme mir im übrigen sehr gelegen. Es gibt da für mich eine Menge Dinge zu regeln. Meine Mutter hat eine kleine Zweitwohnung an der Nordküste…«
Tabinis gelbe Augen waren ohne jeden Ausdruck. »Für deren Sicherheit kann ich nicht garantieren, und ich will nicht, daß Ihre Angehörigen in Gefahr geraten.« »Aber ohne Visum kommt kein Ateva nach Mospheira.«
»Dazu braucht man nur ein Ruderboot«, meinte Banichi. »Und wo das Häuschen Ihrer Mutter steht, hätte ich im Handumdrehen rausgefunden.«
Ein Ruderboot würde nicht unbemerkt am Strand vom Mospheira anlegen können. In dem Punkt ließ sich Banichi leicht widersprechen, allerdings wäre dann ein Geheimnis preisgegeben.
»Auf Malguri sind Sie besser aufgehoben«, sagte Banichi.
»Da hat irgendein Idiot versucht, in mein Schlafzimmer einzudringen. Vielleicht war’s ja nur mein Nachbar, der bezecht durch den Garten getorkelt kam und jetzt nicht mit der Sprache rausrückt, weil er Angst davor hat, daß man ihn des versuchten Mordanschlags bezichtigt. Und nun ist meine Wohnung verdrahtet!« Es war ungehörig, sich in Anwesenheit Tabinis zu ereifern und laut zu werden. Bren biß sich auf die Lippe und senkte den Kopf.
Tabini trank von seinem Tee, stellte die Tasse ab und sagte: »Die Ermittlungen machen Fortschritte. Ihre Hilfe ist nicht weiter nötig. Vertrauen Sie mir. Habe ich Sie jemals enttäuscht?« »Nein, Aiji-ma.«
Tabini stand auf und reichte ihm die Hand – eine Geste, die den Atevi fremd war und um so mehr Entgegenkommen bezeugte. Auch Bren stand auf und schlug feierlich ein.
»Sie sind ein wichtiges Mitglied meiner Regierung«, sagte Tabini. »Und weil dem so ist, bitte ich Sie, nach Malguri zu gehen.«
»Ist mir irgendein Vorwurf zu machen?« fragte Bren; er fühlte sich gefangen in der großen Hand Tabinis. »Habe ich mich in irgendeiner Hinsicht falsch verhalten? Wenn ja, war’s mir lieb, daß man mich darüber aufklärt.«
»Die Ermittlungen gehen weiter«, sagte Tabini gelassen. »Meine Privatmaschine wird in diesem Augenblick vollgetankt. Und, bitte, legen Sie sich nicht mit meiner Großmutter an.«
»Aber ich kann doch jetzt nicht einfach davonlaufen. Solange ich nicht weiß, ob und wodurch ich Anstoß erregt und dieses ganze Durcheinander angestiftet habe, bleibt die Gefahr bestehen, daß ich mich in Zukunft erneut daneben benehme.«
Tabinis Finger drückten fester zu; dann löste er den Griff. »Wer sagt denn, daß Sie einen Fehler gemacht haben, Bren-Paidhi? Grüßen Sie meine Großmutter von mir.«
»Aiji-ma.« Bren gab sich geschlagen. »Läßt es sich einrichten, daß mir meine Post nachgeschickt wird?«
»Wenn sie dem Sicherheitsbüro zugestellt wird, sehe ich da kein Problem«, antwortete Banichi.
»Wir wollen nicht, daß bekannt wird, wo Sie sich demnächst aufhalten«, erklärte Tabini. »Die Sicherheit muß natürlich informiert werden. Passen Sie gut auf sich auf. Nehmen Sie die Vorsichtsmaßnahmen bitte ernst. Sie fahren jetzt auf direktem Weg zum Flughafen. Ist die Sache soweit klar, Banichi?«
»Jawohl«, antwortete der. Bren hatte keine Ahnung, von welcher ›Sache‹ die Rede war, doch ihm blieb nichts anderes übrig, als sich förmlich zu verabschieden.
›Auf direktem Weg zum Flughafen‹ bedeutete exakt das: ohne ins Zimmer zurückzukehren, sofort hinunter auf die unterste Ebene im Bu-javid zum Anschluß ans Schienennetz.
Die Station im Innern war ein strengbewachter Ort und zugänglich nur für den Aiji, die Mai’aijiin sowie für deren Personal. Für alle anderen Bediensteten stand ein zweiter
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