Atevi 1 - Fremdling
der Aiji-Mutter und derem Dienstpersonal.
Tabini war womöglich kein Vorwurf zu machen. Vielleicht hatte die Großmutter seine Instruktionen zur Unterbringung des Gastes ignoriert und eigenmächtig entschieden, ihn, Bren, in irgendeine Rumpelkammer zu stecken. Banichi und Jago würden bestimmt protestieren, wenn sie davon erführen. Dann wäre wahrscheinlich die Großmutter beleidigt, was wiederum Tabini krumm nehmen würde…
Die Diener öffneten die Tür in ein großes, möbliertes Zimmer mit Teppichboden. Bren staunte nicht schlecht angesichts all der vergoldeten und kunstvoll geschnitzten Oberflächen. Durch hohe Fenster mit Spitzbogen und bleiverglasten, gelb- und blaugetönten Scheiben fiel weiches Licht, das die graue Tristesse des Himmels vergessen ließ.
»Das ist der Empfangsraum des Paidhi«, sagte Maigi, während Djinana eine weitere Tür öffnete und ihm einen ähnlich prächtigen Raum zeigte, mit offenem Kamin, in dem ein helles Feuer loderte. Unstatthafte Heizmethode, registrierte er im Hinterkopf, doch seine eigentliche Aufmerksamkeit war auf andere Details gerichtet: auf die Jagdtrophäen und Waffen an den Wänden, das intarsienreiche Holzmobiliar, den antiken Teppich, worin in endloser Wiederholung das Baji-Naji-Mu ster eingewebt war, auf die Fenster, die zwar weniger groß als im Zimmer nebenan, aber nicht minder schmuckvoll waren.
»Das Kaminzimmer.« Und weiter ging die Führung in einen Raum ähnlichen Stils, beherrscht von einem langgezogenen Holztisch mit polierter Platte. »Das Speisezimmer«, sagte Maigi und machte aufmerksam auf eine Zugkordel, über die das Personal zu rufen war. »Ein solcher Klingelzug befindet sich auch im Kaminzimmer«, sagte Maigi und führte ihn nach nebenan zurück, damit er ihn zur Kenntnis nahm.
Bren holte tief Luft. All das polierte Holz, der Zierat und das matte Licht… wie in einem Museum, dachte er. Maigi und Djinana deuteten auf einzelne Jagdtrophäen, präparierte Tierköpfe, unter anderem von Arten, die, wie sie versicherten, mittlerweile ausgestorben waren. Und sie erklärten, daß diese und jene Möbelstücke von großem historischen Wert seien.
»Ein Geschenk des Aiji von Deinali zur Eheschließung zwischen dem Nachfolger des Aiji der vierten Dynastie und der Erbin von Deinali. Doch zur Hochzeit kam es nicht mehr, weil der Aiji-Nachfolger auf dem Gartensteg tödlich stürzte…« Was für ein Gartensteg? fragte sich Bren, entschlossen, diese gefährliche Stelle unter allen Umständen zu meiden.
Daß ihm immer mulmiger zumute wurde, mochte an dem strapaziösen Flug liegen, den er hinter sich hatte. Oder auch an den Glasaugen der toten Tiere, die ihn unverwandt anstarrten.
Maigi öffnete eine weitere Tür. Sie führte in ein Schlafzimmer mit beeindruckenden Ausmaßen. Das riesige, mit weichen Fellen ausgelegte Bett stand auf einem steinernen Sockel; den Baldachin und die Vorhänge stützten vier aufrechte Lanzen. Maigi zeigte ihm den Klingelzug und setzte eilends die Führung fort.
Bren folgte kopfschüttelnd. Er fand die Art seiner Unterbringung nahezu lächerlich. Durch eine Seitentür gelangten sie in eine Kammer mit steinernen Fliesen am Boden und klaffendem Loch in der Mitte. Vor der Wand stand ein silberner Zuber; daneben stapelte sich ein Berg von Handtüchern. »Der Abtritt«, erklärte Maigi. »Bitte, benutzen Sie die Handtücher. Papier verstopft den Abfluß.«
Er spürte, daß man ihm ansehen konnte, wie perplex er war. Mit einer Kelle schöpfte Maigi Wasser aus dem silbernen Zuber und kippte es über dem Loch im Boden aus.
»Es gibt im Haus natürlich auch fließendes Wasser«, sagte Djinana. »Die Installation wurde unter Padigi-Aiji im Jahre 4979 vorgenommen. Nur hier hat man’s bei der alten Methode bewenden lassen.«
Bren war angewidert. Nein, er würde es nicht über sich bringen können, hier seine Notdurft zu verrichten. Es mußten doch irgendwo anders im Haus geeignetere Sanitäranlagen zu finden sein. Im Parterre vielleicht. Er würde jeden noch so weiten Weg in Kauf nehmen.
Gleich neben dem Abtritt lag das Badezimmer. Darin stand ein enorm großes Steinbassin. »Passen Sie auf, daß Sie nicht stolpern«, sagte Djinana und machte aufmerksam auf die am Boden verlegten Rohre. Über eine zweckmäßige Installation hatte man sich in diesem Haus anscheinend nur wenig Gedanken gemacht, und der für dieses Bassin notwendige Wasserverbrauch war mehr als unvernünftig.
»Ihre mitgereisten Diener werden abends fürs Feuer
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