Atevi 1 - Fremdling
das Schriftstück zusammen, legte es in den Behälter zurück und klappte den Deckel zu. – Wenig später kreuzte Djinana wieder auf. Seine Miene verriet Befangenheit; er verbeugte sich und sagte: »Nadi, ich weiß nicht…« »… wo Algini steckt«, ergänzte Bren. »Tut mir leid, nand’ Paidhi. Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Keiner kann mir Auskunft geben. Ich habe in der Küche nachgefragt und auch bei Nadi Cenedi.«
»Wartet er immer noch?«
»Ja, nand’ Paidhi. Ich habe ihm gesagt, daß Sie sich zu beraten wünschen… des Protokolls wegen.«
Vielleicht sollte er Cenedi mitteilen lassen, daß er sich unwohl fühlte. Aber wahrscheinlich hatte die Aiji-Mutter bereits erfahren, daß er schon wieder auf den Beinen war.
»Nadi Djinana. Wenn Ihre Mutter eine Pistole hätte und mich damit bedrohte… auf welche Seite würden Sie sich stellen?«
»Ich versichere Ihnen, Nadi, meine Mütter würde niemals…«
»Sie gehören nicht zum Sicherheitsdienst. Und ich stehe nicht in Ihrem Man’chi.«
»Nein, Nadi. Ich arbeite für die Denkmalschutzbehörde und bin Hauswart dieses Anwesens. Aber das wissen Sie ja.«
Der Schrecken in Djinanas Augen, dieser Moment bestürzter Zögerlichkeit verriet Bren, daß, wenn ihm jemals ein Ateva die reine Wahrheit gesagt hatte, dies soeben der Fall gewesen war.
Andererseits hatte Bren seine Bemerkung nicht exakt formuliert, nicht zwingend. Banichi hätte wahrscheinlich gesagt: Ich stehe in Ihrer Pflicht, nand’ Paidhi. Und das kann vieles bedeuten.
Aber der Hauswart von Malguri? Der hatte ganz andere Sorgen, und wofür er stand, war klar, nämlich entschieden gegen irgendwelche Veränderungen im Haus, gegen das Einschlagen von Nägeln und gegen das Verlegen von Stromleitungen. Soviel wußte Bren, und das war mehr, als er momentan über Banichi wußte. Was den betraf, konnte Bren nur rätseln: Wieso war er, ohne sich vorher abgemeldet zu haben, weggefahren? Hielt er mit irgend etwas hinterm Berg, oder hatte er einfach nur vergessen, sich abzumelden? Letzteres sah ihm ganz und gar nicht ähnlich.
Womöglich hatte sich etwas Katastrophales zugetragen. Vielleicht war auf Tabini ein Anschlag verübt worden.
Der Gedanke schlug ihm auf den Magen. Verdammt, dabei hatte er sich gerade erst erholt und den Magen an feste Kost gewöhnen können. Nein, Tabini war nicht in Gefahr. Tabini hatte kompetente Sicherheitsleute um sich. Auf Tabini paßte ganz Shejidan auf, während seine, Brens, Leute zum Flughafen gefahren waren und ihn in Cenedis Obhut zurückgelassen hatten, der nun jederzeit hereinspazieren und ihn nebst Djinana über den Haufen schießen könnte, falls er, Cenedi, denn darauf aus wäre, das Gebot des Biichi-gi zu mißachten und die historischen Teppiche zu besudeln.
»Legen Sie mir Papier und Schreibstift zurecht.«
»Wünschen Sie auch Ihr Versandetui?«
»Ich weiß nicht, wo mein Personal es hingelegt hat. Vielleicht finden Sie’s hier irgendwo. Wenn nicht – egal. Dann geht der Brief eben ohne. Und wenn Banichi morgen früh noch nicht zurück ist, werden Sie mich begleiten.«
»Ich…«, hob Djinana zum Protest an. Doch dann verbeugte er sich und sagte bloß noch: »In protokollarischen Dingen bin ich nicht besonders firm. Ich werde das Versandetui suchen. Oder Ersatz besorgen. Wünscht der Paidhi, daß ich bei der Formulierung des Schreibens helfe?«
»Djinana, sagen Sie mir offen und ehrlich, muß man Angst vor mir haben? Bin ich so fremdartig, daß ich bei Kindern Alpträume hervorrufe?«
»Ich…« Djinana wußte offenbar nicht ein noch aus.
»Habe ich Sie jetzt in Verlegenheit gebracht, Nadi? Das wollte ich nicht. Ich halte Sie für einen ehrlichen Mann und weiß das zu schätzen. Es gibt nicht viele, denen ich vertrauen kann.«
»Ich wünsche dem Paidhi nur Gutes.«
»Mir scheint, Sie kennen sich sehr wohl aus in protokollarischen Dingen. Also, wollen Sie mich zum Frühstück bei der Aji-Mutter begleiten und dafür sorgen, daß ich unvergiftetermaßen wieder auf mein Zimmer zurückkomme?«
»Bitte, nand’ Paidhi. Dazu bin ich nicht geeignet…« »Sie sind ehrlich und ein guter Mann. Sie würden im Konfliktfall eher Ihre Mutter verteidigen als meine Person. Das zeugt von Ihrer Aufrichtigkeit. Ihrer Mutter schulden Sie mehr als mir. Ich würde genauso entscheiden. Darin wären wir uns gleich, und zwar auf typisch menschliche Art. Und diese Art ist doch nicht zu verachten, oder?«
Djinana betrachtete ihn mit skeptischer Miene. »Ich
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