Atevi 2 - Eroberer
sich unter ihm wegzuwälzen. Dem lauten Stimmengewirr im Saal glaubte er schließlich entnehmen zu können, daß die Gefahr gebannt war.
Tano gab ihn nun frei und richtete sich auf den Knien auf.
Bren blieb ausgestreckt am Boden liegen, aus Angst und weil er sich vor Schmerzen kaum rühren konnte. Sicherheitsbeamte kamen herbeigerannt, unter ihnen auch Tabini, der sich gemeinsam mit Tano daranmachte, ihm auf die Beine zu helfen, sacht und vorsichtig, um den verletzten Arm zu schonen.
»Tut mir leid«, stammelte Bren, nicht ahnend, daß das Mikrophon immer noch eingeschaltet war. Seine Worte tönten durch den Saal und ernteten lautes Gelächter. Mehr noch: Es gab Beifall für ihn; die Atevi klatschten in die Hände, im rhythmischen Gleichtakt, wie es ihre Art war, und offenbar erleichtert darüber, daß der Paidhi noch lebte. Mehrheitlich zumindest. Wenigstens einer hätte ihn lieber tot gesehen.
Auf dem Fernsehvideo war zu sehen, wie Tano seitlich herbeigeflogen kam und den Paidhi zu Boden riß – eine Szene, die ihm kalte Schauer über den Rücken rieseln ließ. Die Überwachungskamera im Saal hatte den Attentäter eingefangen, der, von einer Kugel aus Jagos Waffe in den Kopf getroffen, einen letzten Schuß abgab, mitten in den Kronleuchter an der Decke, das Schmuckstück aus dem dreizehnten Jahrhundert. Immer und immer wieder wurden diese Ausschnitte in Zeitlupe vorgeführt.
Bren bemühte sich um Sachlichkeit und versuchte, die nüchterne Gelassenheit der Sicherheitsbeamten nachzuahmen; sie hatten, weiß Gott, schon schlimmere Fälle zu untersuchen gehabt.
Der Chef der Sicherheitsabteilung des Bu-javid legte ihm ein Schwarzweißfoto vor und deutete auf einen älteren Herrn, der darauf abgebildet war. »Der Abgeordnete von Eighin«, sagte er. »Beiguri, gehört dem Hause Guisi an. Haben Sie mit diesem Mann oder mit Guisi schon einmal zu tun gehabt?«
»Nein, Nadi«, antwortete Bren mit matter Stimme und richtete sich auf. »Ich kenne ihn allerdings – als Gegner unserer Handelspolitik. Aber daß er zu solchen Maßnahmen greift, hätte ich ihm nie zugetraut. Er hat immer einen sehr höflichen Eindruck auf mich gemacht.«
Tabini war noch im Plenarsaal und beteiligte sich an der Diskussion über die Ausführungen und Vorschläge des Paidhi. Die Gruppe um Beiguri wurde von der Polizei und Sicherheitsbeamten in Schach gehalten.
Bren hatte große Schmerzen und hoffte, daß ihm durch Tanos Rettungstat die vernähte Wunde nicht wieder aufgeplatzt war. Auch Tano und vor allem Jago schienen von dem Vorfall nicht unbeeindruckt geblieben zu sein. Jago war sichtlich erregt und hielt die Arme vor der Brust krampfhaft verschränkt, um die innere Anspannung zu kontern. Bren zweifelte nicht daran, daß sie jetzt lieber aktiv wäre und das Büro des Abgeordneten durchsuchen würde, womit zur Zeit Agenten beschäftigt waren, jüngere Kollegen, denen sie wahrscheinlich nicht zutraute, ebenso gründlich ans Werk zu gehen, wie sie es täte.
Und womöglich machte sie sich auch Gedanken um Banichi und darüber, wo der zur Zeit stecken mochte. Oder vielleicht sorgte sie sich gerade deshalb, weil sie wußte, wo er war.
Es kamen nun weitere Ermittler in die Station und berichteten, daß die Leiche des Attentäters weggeschafft worden sei. Ein angesehener, vernünftiger Mann, Vater mehrerer Kinder und gewählter Vertreter seiner Provinz war bei dem Versuch, den Paidhi zu töten, ums Leben gekommen.
Bren erschauderte. Tano legte ihm eine Hand auf die Schulter und bat den Leiter der Ermittlung um Verständnis dafür, daß der Paidhi jetzt Ruhe nötig habe und ins Bett müsse.
»Aber der Aiji…«, hob der Polizeichef an zu protestieren.
»Wir kennen die Befehle des Aiji«, fiel ihm Jago ins Wort und wendete sich vom Monitor ab, auf dem eine weitere Wiederholung der Filmaufnahmen zu sehen war. »Wir tragen die Verantwortung, nand’ Marin. Wenn der Paidhi jetzt nach oben zu gehen wünscht…«
»Ja, bitte«, sagte Bren und stand von seinem Stuhl auf. Er wollte auf sein Zimmer, ins Bett; er wollte endlich Ruhe finden.
Und er hatte genug gesehen von den wiederholten Aufzeichnungen. Auch die Fragen der Polizei führten im Augenblick nicht weiter. Statt irgend etwas zu klären, brachten sie ihn nur zunehmend in Verwirrung.
Der heutige Tag hatte ihm eine Unmöglichkeit nach der anderen abverlangt. Jetzt, so tröstete ihn Jago, würde er nur den Gang zum Fahrstuhl aushalten müssen. Daß er von Journalisten aufgehalten würde, wäre
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