Atevi 2 - Eroberer
abgezogen werden, die indirekt auch den Atevi zugute kamen. Vor nicht allzu langer Zeit waren drei Studenten ins Kreuzfeuer konservativer Kritik geraten, weil sie ein Lernprogramm für achtjährige Schüler vorgestellt hatten, das die affektiven Aspekte atevischer Philosophie in den Unterrichtsmittelpunkt zu rücken versuchte.
Der radikale Flügel wollte daraufhin alle Professoren der Atevistik vom beratenden Ausschuß des Außenministeriums entfernt wissen. Eine Überreaktion, befand man damals. Bevor das Schiff aufkreuzte.
Seitdem häuften sich die Versuche, die Bemühungen um interkulturelle Verständigung zu sabotieren. Es wagten sich immer mehr Radikale nach vorn. Die Stimmung drohte umzukippen. Die Mehrheit der Menschen hatte zwar keine ausgeprägten Ressentiments gegen Atevi, aber doch eine unterschwellige Angst vor den Nachbarn, die so gänzlich anders aussahen, Mord als legitimes Mittel zur Konfliktlösung einsetzten und die mosphei’sche Sprache nicht beherrschten. Und es war nur allzu verständlich, daß sie das Bedürfnis nach Sicherheit hatten.
Sie lebten auf einer Insel und wußten, daß ihre Regierung seit fast zweihundert Jahren die Atevi mit technologischem Know-how versorgte. Nun lag auch noch die größte Errungenschaft menschlicher Forschung auf dem Verhandlungstisch, und damit war alle Überlegenheit verloren. Wen wunderte es, daß diejenigen, denen die Atevi nach wie vor fremd waren, nervös wurden?
Ein Ateva, der irrwitzige Verdächtigungen gegen Menschen verbreitete, würde unter Tabinis Regierung nie ein öffentliches Amt bekleiden können. Aber auf Mospheira fragte keiner nach der Gesinnung. Wer als Anwärter auf einen Posten in der Administration behauptete, die Atevi würden Menschenkinder stehlen und zu Wurst verarbeiten, mußte nicht mit Nachteilen rechnen; solche Spinnereien wurden früher einfach unter den Teppich gekehrt.
Und seit der Ankunft des Schiffes hatten die Separatisten Oberwasser. Vordem völlig unbedeutend, griffen sie jetzt nach der Macht; konkret: sie erhofften sich, von der Pilotengilde als Bevollmächtigte über die Raumstation eingesetzt zu werden.
Die Pilotengilde kannte die Situation auf dem Planeten nicht, und wie die Geschichte lehrte, war es ihr egal, mit wem sie sich zusammentat, Hauptsache, sie kam voran mit ihren Plänen. Schon damals, als über das Für und Wider der Landung debattiert worden war, hatten sie ständig die Seiten gewechselt, mal das Stationsmanagement, mal die Siedler in spe über den Tisch gezogen, mit dem – vielleicht beabsichtigten – Ergebnis, daß die gesamte Population an Bord der Station am Ende heillos zerstritten war. Das hatte Bren aus den unveröffentlichten Notizen seines Professors erfahren. Die Aufgabe der Station war mit dem Abflug des Schiffes besiegelt, denn die Arbeiter hatten dem verlogenen Management nicht mehr über den Weg trauen können. Die Situation war verkorkst bis zum Gehtnichtmehr.
Und nun war das große, heilige Schiff zurückgekehrt, versprach das Paradies zwischen Sonne, Mond und Sternen für alle, die auf ihre Seite wechselten – und Hals und Kragen riskierten, damit das über alle Maßen wichtige Schiff am Laufen blieb. Die verfluchte Geschichte wiederholte sich. Und das gleiche Pack zog die Fäden, hatte wahrscheinlich sogar Gaylord Hanks’ Tochter nach Shejidan geschickt. Oder zumindest drängte es nun darauf, daß ihre Kandidatin vor Ort blieb und weiter fleißig für Unruhe sorgte, galt es letztlich doch, Bren Cameron kaltzustellen, diese liberale Schnittstelle zwischen Menschen und Atevi als untauglich zu desavouieren, um dann, wenn es die Macht hatte, das Verhältnis zum Festland neu bestimmen zu können.
Bren konnte selbst kaum glauben, was er da argwöhnte. Soviel Dummheit war der anderen Seite doch wohl nicht zuzutrauen.
Aber seine politische Erfahrung mahnte – erstens: Ignoranz und Dummheit sind in der Politik mindestens ebenso stark vertreten wie cleveres Kalkül; zweitens: In Krisenzeiten nehmen Schmeißfliegen überhand; und drittens: Jeder Versuch einer Beilegung von Konflikten muß den Quertreibern einen Schritt entgegenkommen.
Ihm war klar, daß er mit den Tonaufzeichnungen im Besitz hochbrisanter Informationen war. Sie deckten sich zwar nicht mit den aktuellen Gegebenheiten, offenbarten aber eine äußerst gefährliche Tendenz, der Hanks voranmarschierte.
Wenn er sich jetzt geschlagen gäbe, würde sich die Menschheit auf schlimme Zeiten gefaßt machen müssen. Es drohte
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