Atevi 3 - Erbe
schon gar nicht von jemandem, den sie kaum kannte; selbst Sprachprobleme waren da für sie keine Entschuldigung. »Kommen Sie, Bren-ji, Sie müssen jetzt Abbitte tun für die Aufdringlichkeit Ihres Kollegen.« Schon hatte sie sich bei ihm untergehakt. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
»Ich sollte Jason im Auge behalten, nand’ Aiji-Mut-ter.«
»Das tun schon andere für Sie.« Ilisidi führte ihn – das sah er jetzt zu seiner Bestürzung – auf Tatiseigi zu. »Üben Sie Nachsicht mit Seiner Lordschaft. Er will Ihnen ein paar indiskrete Fragen stellen.«
»Ach was«, murrte der Alte, und Bren war geneigt, auf dem Absatz umzukehren, zumal sich Ilisidi aus dem Staub machte und ihn allein mit Tatiseigi zurückließ.
»Nandi«, sagte Bren mit tiefer Verbeugung und suchte nach Komplimenten. »Ich danke Ihnen für Ihre Nachsicht meinem jungen, unbedarften Kollegen gegenüber.«
»Was hat der sich dabei gedacht?«
»Er sah Sie in Gefahr und wollte Sie beschützen; immerhin weiß er, wie wichtig Sie dem Aiji sind. Leider mangelt es ihm an Umsicht und Geschicklichkeit.«
»Dem Aiji wichtig, Nadi? Diesem Emporkömmling aus Taiben, der sich an meiner Nichte vergreift? Und dessen Großmutter sich mit Menschen und Astronomen gemein macht?«
»Ich fürchte, in Ihrem Ansehen noch tiefer zu sinken, da ich für diejenigen, die Sie da nennen, Hochachtung empfinde und entschieden Partei ergreifen muß.«
»Menschen! Maschinenbauer! Luftverschmutzer! Naturfrevler! Nicht einmal der Ätherraum ist sicher vor ihnen.«
»Ich sehe mich in meinem Wirken davon ausgenommen, Nandi.« Der Lord der Atigeini hatte die Stimme gegen ihn erhoben, worauf Bren in ruhigem Tonfall reagierte, was womöglich unangebracht war, doch die Aiji-Mutter stand auf seiten dieses Mannes, und darauf wollte er Rücksicht nehmen. »Ich wünsche mir nämlich, daß Atevi und Menschen beiderseitig von meiner Arbeit profitieren werden, Lord Tatiseigi. Und gleiches kann ich von Jason sagen, der keine kugelsichere Weste trägt. Guten Abend, Nandi.«
Tatiseigi vergaß sich und seine aristokratische Erziehung und ließ sich angesichts der vergleichsweise schmächtigen Menschenperson dazu hinreißen, handgreiflich zu werden und Bren beim Ärmel zu packen. Ätevische Augen reflektierten Licht, und die von Tatiseigi funkelten golden.
»Frevler, sage ich.«
»Nein, Lord Tatiseigi. Und es wird Ihnen nicht gelingen, mich gegen Sie aufzubringen.«
»Warum nicht? Sind Sie etwa schwachsinnig?«
»Nein, Nandi. Es ist wegen der Aiji-Mutter, die sich beim Aiji und bei anderen für Ihre Interessen stark macht und mir empfohlen hat, ihrem Beispiel zu folgen.«
»Aha, die Aiji-Mutter. Was sie wohl an Ihnen findet? Hat sie denn am Ende keinen Geschmack mehr?«
Noch nie war Bren von einem Ateva, zumal von einem aus vornehmen Kreisen, auf so rüde Weise beleidigt worden. »Ich bin entsetzt«, sagte er kühl. »Hat sie doch so gut von Ihnen gesprochen.«
» Unverschämtheit.«
»Nadi.« Diese Anrede, die sich nur unter Gleichen ziemte, kam einer Kriegserklärung gleich, und Tatiseigi hielt ihn nach wie vor am Ärmel gepackt. »Sie werden Ihre Nichte enttäuschen.«
»Inwiefern?«
»Auch sie lobt Sie in den höchsten Tönen. Glauben Sie mir doch bitte: Der Schiffs-Paidhi wollte Sie nur vor Schaden bewahren. Daß ausgerechnet in diesem Moment die Kamera draufgehalten hat, war Zufall, der sich vielleicht noch als günstig erweist. Als Vertreter beider Regierungen rate ich Ihnen, Nadi, die Reporter im Speisesaal aufzusuchen und ihnen ein Interview zu gewähren. Es wird bestimmt nicht nur das eine Mal im Fernsehen übertragen, sondern häufig wiederholt werden, weil ein weiterer Raum Ihrer historischen Residenz die Kulisse bildet. Außerdem empfehle ich, daß Sie nand’ Jason vor den Zuschauermillionen in Schutz nehmen und so die Peinlichkeit vergessen machen.«
Die Musik spielte, und das Geplapper ringsum ging unvermindert weiter. Nur Tatiseigi schien es die Sprache verschlagen zu haben.
»Unverschämtheit!« schnaubte er schließlich.
»Daß ich Ihnen unaufgefordert Ratschläge erteile, tue ich allein der Aiji-Mutter zu Gefallen.«
»Ihr zu Gefallen will ich darüber nachdenken.« Tatiseigi ließ endlich den Arm los und starrte ihm von oben herab ins Gesicht. Bren hielt dem Blick stand.
Zu seinem großen Schrecken bemerkte er plötzlich, daß Tabini schräg hinter ihm stand und die Szene mitbekommen hatte.
»Ich hoffe, Sie denken nicht bloß
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