Atevi 3 - Erbe
Rejiri kleinlaut: »Ja, nand’ Aiji-Mutter.«
»Warum sind Sie mit Ihren Informationen nicht schon viel früher gekommen?«
»Weil wir davon ausgegangen sind, daß der Aiji ohnehin Bescheid weiß.«
»Schließlich sind Sie schnell und heimlich durch die Lüfte geflogen.«
»Ja, nand’ Aiji-Mutter.« Der junge Mann verneigte sich. »Ich habe die Luftverkehrsordnung verletzt. Wissentlich.«
»Und Sie haben sich abermals strafbar gemacht, als Sie hierher gekommen sind!«
»O nein, nand’ Aiji-Mutter. Ich nahm den Zug, ganz regulär.«
Ilisidi kniff die Brauen zusammen. »Ich beziehe mich natürlich darauf, daß Sie unbefugtermaßen in die Sicherheitszone eingedrungen sind. Woher wußten Sie überhaupt, daß wir hier anzutreffen sind?«
»Das ist…« – er holte tief Luft – »überall bekannt, im ganzen Land, nand’ Aiji-Mutter.«
»Junger Mann, Sie werden sich jetzt von meinen Sicherheitskräften auf Ihr Zimmer führen lassen und ansonsten brav tun, was ich Ihnen gebiete. Wenn Sie sich mir widersetzen, werde ich Sie eigenhändig erschießen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Ja, nand’ Aiji-Mutter.«
»Wegtreten«, sagte Ilisidi, und an die Männer gewandt, die Rejiri zwischen sich nahmen: »Sehen Sie zu, daß er zu essen bekommt.«
Der Junge widersprach nicht. Ilisidi legte die Stirn in Falten und erhob sich mit Hilfe des Stocks.
»Mit dem Zug«, murmelte sie vor sich hin. »Also ist er sehr viel eher aufgebrochen als wir. Zumal er einige Male umsteigen mußte. – Nand’ Paidhi.«
»Aiji-ma.«
»Wissen Sie, was es mit diesen heimlichen Funkgeschichten auf sich haben könnte.«
»Mir sind solche Gerüchte zu Ohren gekommen.«
Ilisidi winkte mit der Hand. »Es wird Zeit, ins Bett zu gehen. Machen Sie sich wegen morgen keine Gedanken. Wir werden ausreiten. Vielleicht kommen wir an eine Stelle, die einen Ausblick aufs Meer bietet. Das würde Ihrem ungestümen jungen Kollegen gefallen. Er fängt an, mich zu interessieren.«
Bren zögerte. Ihm lag eine Frage auf der Zunge, die der Aiji-Mutter zu stellen allerdings eine Zumutung wäre. »Aiji-ma«, grüßte er und wandte sich dem Ausgang zu in der Absicht, sich noch für ein paar Minuten mit seinen Sicherheitskräften auszutauschen.
Er hörte, daß ihm jemand folgte, drehte sich aber erst um, als er das obere Stockwerk erreicht hatte.
»Jago-ji.«
»Nand’ Paidhi.«
»Nand’ Paidhi«, wiederholte er, halb spöttisch, halb verärgert. »Reden wir miteinander, Jago-ji.«
»In meinem Zimmer.«
Banichi, mit dem sich Jago das Zimmer teilte, hatte noch anderenorts zu tun. Jason lag schon im Bett – in einem Zimmer, das vermutlich abgehört wurde.
Bren folgte ihr, obwohl ihm mulmig dabei war. Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.
Sie riß ein Streichholz an und entzündete eine Kerze. Abgesehen vom Gepäck, das in einer Ecke auf einem Haufen.lag und fast ausschließlich aus schwarzen Dingen bestand, unterschied sich der Raum in nichts von seinem eigenen Zimmer.
Er zog die Tür hinter sich zu. Jago schaute ihn an, und in ihren Augen schimmerte es aufregend golden.
»Sind wir vor der Aiji-Mutter in Sicherheit?« flüsterte er.
»Ich denke ja, nand’ Paidhi.«
Nand’ Paidhi. Er war ein wenig enttäuscht, auch wenn er das Worüber nicht genau benennen konnte, und er schalt sich im stillen einen Narren, konnte aber nicht umhin daran zu denken, daß er ihr vor rund einem halben Jahr schon einmal sehr viel näher gestanden hatte. Jetzt fühlte er sich – tja, wie? – zurückgesetzt, gewissermaßen.
»Der Aiji weiß die Situation sehr wohl einzuschätzen«, sagte Jago, und dann, mit unbewegter Miene: »Sollten wir lieber flüstern?«
Fast hätte Bren laut losgelacht, doch dann dachte er an Jason, der nebenan im Bett lag.
»Unser Gehörsinn ist so scharf nicht«, antwortete er mit gedeckter Stimme. »Was geht vor, Jago-ji? Sagen Sie mir, was Sie mir sagen dürfen. Was das Restliche angeht, verlasse ich mich ganz auf Sie.«
»Kurz und bündig, Nadi: Es ist tatsächlich allenthalben bekannt, daß die Paidhiin hier Urlaub machen. Das wurde gestern abend in den Fernsehnachrichten gemeldet. Daß der Junge hier aufgekreuzt ist, kann also nicht erstaunen.«
»Hat Tabini uns etwa als Jagdköder ausgelegt?«
»So unschön würde ich das nicht formulieren.«
»Aber so ist es, nicht wahr?«
»Ja.«
»Mit anderen Worte, es gibt welche, die uns nach dem Leben trachten. – Mogari-nai und die Satellitenstation sind nicht weit
Weitere Kostenlose Bücher