Atevi 3 - Erbe
entfernt. Sie könnten durch uns in Gefahr gebracht werden, Nadi.«
Jago ließ sich mit der Antwort Zeit. »Diesen Umstand hat Tabini-Aiji mit ins Kalkül gezogen.«
Das hatte den Paidhi also nicht weiter zu kümmern.
»Sorgen Sie sich nicht, nand’ Paidhi.«
Bren hielt seine Empfindungen zurück, wußte er doch, daß Atevi auf Emotionen defensiv reagierten und damit vom eigentlichen Thema abwichen. »Ich frage Sie, die ich hochachte: Sind unsere Interessen geschützt?«
»Durch uns, Nadi.«
»Daran zweifle ich keinen Augenblick, Nadi, aber…« Er wußte nicht, wie er sich Jago verständlich machen konnte. Das alte Problem; es war schon spät, und er hatte seine Sinne nicht mehr beieinander, versuchte, in allzu viele verschiedene Richtungen gleichzeitig zu denken.
»Was wollten Sie sagen, Nadi?« fragte Jago.
Er schaute zu ihr auf. Das spärliche Licht fing sich in den Metallbeschlägen ihrer Jacke, dem Schmelz der schwarzen Haut und dem goldenen Glanz ihrer Augen. Und er wich ihrem Blick aus. Es gab keinen vernünftigen Ansatz, und dem Übersetzer fehlten die Wörter. Er hatte fragen wollen, worauf Tabini abzielte, sah sich aber plötzlich in emotionaler Gefahr, und die war sehr ernst zu nehmen.
»Ich gehe jetzt besser«, sagte er, langte an den Riegel und prallte auf dem Weg nach draußen gegen den Türpfosten.
»Nadi?« hörte er es leise hinter sich rufen. Jago war besorgt, was die Gefahr deutlich machte, in der er schwebte.
Er kehrte auf sein Zimmer zurück. Die Kerze war halb heruntergebrannt. Jason lag im Bett, war nur als Wulst unter Decken auszumachen und rührte sich nicht.
In beißend kalter Luft zog sich Bren bis auf die Unterwäsche aus. Es war ihm bewußt, daß er vor dem offenen Fensterschlitz, so klein er auch war, Heckenschützen eine gute Zielscheibe bot, doch er verließ sich auf die Alarminstallationen im Umkreis, die auch vor dem Eindringen Rejiris gewarnt hatten, und wahrscheinlich hielten Ilisidis Männer das Gebäude unter Beobachtung, also auch die Fenster, die im übrigen so klein waren, daß ein ausgewachsener Ateva nicht hindurchpaßte. Also was soll’s? dachte er bei sich. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zu verlassen.
Er löschte die Kerze, tappte aufs Bett zu und stieß vor die Kante, wobei er vor Schmerzen so laut nach Luft schnappte, daß Jason wach wurde. »Bist du’s?«
»Soweit ich weiß«, murmelte er, stieg aus kalter Luft in ein kaltes Bett und zog die Decken bis unters Kinn. Jason lag warm neben ihm. Bren zitterte und versuchte, dagegen anzugehen. »Irgendwas rausgefunden?«
Er mußte sich einen Ruck geben, um nachzudenken und ins Gedächtnis zu rufen, an welcher Stelle Jason aus dem Informationsfluß ausgeschieden war. »Der Junge ist keine Gefahr«, antwortete er und erinnerte sich, daß Jason überhaupt nichts wußte und nur darauf fixiert war, ans Meer zu gelangen.
»Morgen früh werden wir ausreiten. Vielleicht reiten wir zum Strand hinunter.«
»Ist der von hier aus zu erreichen?«
»Soviel ich weiß, ja. Es kann aber auch sein, daß wir nach Mogari-nai reiten, eine historische Stätte, die ganz in der Nähe liegt.«
»Warum besuchen wir diese alten Orte?«
Die Frage überraschte Bren. Er erklärte sie sich im Hinblick auf die ganz andersartige Schiffskultur.
Jasons Welt war bis vor kurzem das Schiff gewesen; wo hätte er den Wert historischer Güter schätzen lernen sollen?
Und woraus sollte er den Wert seltener Arten ableiten? Oder den Sinn ökologischen Denkens, wo er doch nur von Kunststoffen und computergesteuerten Aggregaten umgeben gewesen war.
»Der Schutz der Pflanzen und Tiere dieses Planeten ist von großer Wichtigkeit«, sagte Bren leise ins Dunkle über sich, »so auch die Dokumente der Vergangenheit. Und sie sind nicht nur der Aiji-Mutter wichtig, sondern auch mir. Kannst du dir das vorstellen? Es sind nicht nur alte Orte?«
»Ich…« erwiderte Jason, »ich fand es nicht besonders schön, in der Landekapsel eingesperrt zu sein. Oder durch die Korridore der Raumstation zu gehen. Ein ziemlich einsamer Ort. Sehr alt.«
»Was diese Station anbelangt, denken die meisten Atevi ähnlich. Aber wenn du zum Beispiel auf Mospheira in das alte Kommandozentrum gehst, das jetzt als Museum dient, und siehst all die Uhren, die in dem Moment zu schlagen aufgehört haben, als der Krieg entschieden war, dann bekommst du ein Gespür für das, was nicht mehr einfach nur alt zu nennen ist. Ich
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