Atevi 3 - Erbe
es die Handschellen zuließen, durch die er an die beiden stämmigsten Männer Ilisidis gekettet war.
»Der Paidhi will Ihnen eine Frage stellen«, sagte Ilisidi. »Vielleicht haben Sie wenigstens die Höflichkeit zu antworten.«
»Aber ja, Aiji-ma, wenn es Ihrer Ladyschaft gefällt.«
»Nand’ Paidhi?«
»Nand’ Rejiri von Dur-wajran?«
»Ja, nand’ Paidhi.«
»Warum haben Sie…« Mit meinem Flugzeug zusammenstoßen wollen? Von Vorsatz konnte wohl kaum die Rede sein. Wahrscheinlich war er einfach nur ein schlechter Pilot. »… Shejidan aufgesucht?«
»Um dem Aiji zu melden, daß eine Verschwörung gegen ihn in Schwange ist.«
»Und warum stellen Sie dann mir nach?«
»Weil ich Sie bitten möchte, sich für mich zu verwenden.«
Für Bren war der Fall klar: Der gedemütigte junge Mann, dessen Maschine nach der Beinahekollosion mit dem Flugzeug des Aiji konfisziert worden war, konnte sich natürlich keine Hoffnungen darauf machen, daß der Aiji ihm Gehör schenkte, ohne seine Luftverkehrssünden aufs Tapet zu bringen und auf seinen Vater, einen Lord des Bundes, anzuspielen.
Und er war merklich aufgewühlt; so erschüttert und zerknirscht hatte Bren noch nie einen Ateva gesehen. »Die Aiji-Mutter hört jedes Ihrer Worte«, sagte Bren. »Was können Sie uns über diese Verschwörung sagen?«
Nicht auszudenken, was geschähe, wenn Rejiris Hinweise den Verdacht nahelegten, daß Ilisidi an der Verschwörung beteiligt wäre.
Ilisidi thronte wie ein hofhaltender Aiji, die faltigen Hände auf den Silberknauf ihres Stockes gestützt, die gelben Augen scharf und ohne jeden Ausdruck. »Reden Sie.«
Der junge Mann schnappte nervös nach Luft. »Da fliegt eine Maschine häufig aufs Meer hinaus, und es kommt jedesmal zum Funkkontakt mit einer Person, die zwar Ragi spricht, aber wie ein Mensch klingt.«
»Eine Frau, Nadi?« fragte Bren nach.
»Das läßt sich nicht so genau heraushören. Es könnte allerdings gut sein, nand’ Paidhi. Doch ich… ahm… zögere zu behaupten, daß…«
Hart schlug der Stock der Aiji-Mutter auf den Steinfliesen auf. »Und wo sind Sie, wenn Sie diese Funksprüche empfangen?«
»Im Flugzeug meines Vaters, Aiji-ma.«
»Sie sind dann geradewegs nach Shejidan geflogen und hätten fast die Maschine des Aiji gerammt. Ist das so?«
»Aiji-ma…« Rejiri hatte sichtlich Mühe, Fassung zu bewahren.
»Hätten Sie uns nicht einfach anrufen können?« »Ich hatte Angst, daß jemand mithört, der…« »Sie hätten Ihren Vater benachrichtigen können.« Da war ein Zucken in der Miene des Jungen, das deutlich von Furcht zeugte. »Ich habe das Flugzeug entwendet, Aiji-ma.«
»Das soll ich Ihnen glauben? Ich glaube vielmehr, daß Sie Ihren Vater zu decken versuchen.«
»Aiji-ma, ich habe das Flugzeug gestohlen. Das ist die Wahrheit!«
Bren sah Ilisidis Blick und schätzte sich glücklich, daß der nicht auf ihn gerichtet war.
»Nun«, fuhr die Aiji-Mutter fort, »was haben Sie sonst noch mitbekommen? Jenseits Ihres Funkempfängers. Aus Gesprächen mit Ihren Leuten zum Beispiel? Was wissen Sie?«
»Daß das Man’chi meines Hauses den Nachfahren Barjidas gilt, nand’ Aiji-Mutter.«
Eine gelungene Ausflucht: Barjida hatte zur Zeit des Großen Krieges gelebt und war der Ahnherr der Linie Tabinis. Ilisidi hatte in diese Linie hineingeheiratet. Der Junge bekannte sich zu einem Man’chi, das hinter den amtierenden Aiji zurückreichte, diesen aber mit einschloß. Bren hatte wieder einmal den Eindruck, einem Machimi-Spiel beizuwohnen.
Doch hier wurde weder Theater geboten noch ein Fernsehspiel vorgeführt. Ihm, Bren, lief es kalt den Rücken herunter, als er Ilisidi lächeln sah, denn er begriff, daß er sich in gleicher Lage befand: unter dem Schutz von Tabini-Aiji, dem Nachfahren Barjidas.
Auf dessen Geheiß er hierher gekommen war, in Begleitung von Banichi und Jago – jenen beiden, die der Aiji losgeschickt hatte, Saigimi zu töten. Dazu war es schon einmal gekommen, zu dieser extremen Geste, dieser ostentativen Inschutznahme des Paidhi durch derartig gefährliche Personen wie Banichi und Jago, und das innerhalb der Verteidigungslinien Ilisidis, die der Aiji auf diese Weise zu einem offenen Schlag gegen ihn provozierte.
Oder vielleicht wollte er ihr seine Verbundenheit demonstrieren.
Ruhig zu bleiben fiel Bren schwer, und doch stand er regungslos da, während ihm im vollen Umfang das Wagnis bewußt wurde, das er eingegangen war, indem er Jason mit zu Ilisidi genommen hatte.
Er war
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