Atevi 3 - Erbe
fühlte, dämmerte ihm selbst erst allmählich, und manch andere Frage, so dachte er, würde sich wahrscheinlich nur durch die beherzte Probe aufs Exempel beantworten lassen.
Aber vergangene Nacht war dafür nicht die rechte Zeit gewesen.
Er ließ sich von einem der Diener den leeren Trinkbecher abnehmen. Und wich Jason nicht von der Seite.
Auf der Burg wurde ein junger Ateva in Haft gehalten; hinter Ilisidis Haltung stand nach wie vor ein Fragezeichen, und über den Hügel waren in der Nacht motorisierte Transporte gerollt, über die sich nichts in Erfahrung bringen ließ.
Womöglich war ihr Leben bedroht – seit dem vergangenen Jahr keine ungewöhnliche Situation, aber sie durch grüblerische Gedanken an Jago noch weiter zu komplizieren war nicht gerade ratsam.
Oben in der Halle hatte er Banichi eine Frage stellen können: »Gibt es einen Grund für diese Eile? Was, um alles in der Welt, ist in der Nacht passiert?« Und Banichi hatte geantwortet: »Ich weiß es nicht, Nadi. Die Aiji-Mutter entscheidet, und wer würde es wagen, sie zur Rede zu stellen?«
Banichi hatte es extrem eilig gehabt. Jago war noch schneller gewesen und erst an der Pforte von ihm eingeholt worden.
Bren schaute sich um und zählte durch, wer mit von der Partie war. Tano und Algini hatten sich noch nicht blicken lassen. Dafür schienen alle Männer Ilisidis anwesend zu sein, zwanzig insgesamt, wie Bren schon gestern nachgezählt hatte; gewiß eine glückliche Anzahl, doch man sah die Männer nur selten alle beieinander. Ilisidi hatte zur Information und Bewachung meist nur eine kleine Gruppe um sich, und ihr Gefolge war selten größer als das von Tabini. Beide machten eher ein Geheimnis aus dem eigentlichen Umfang ihrer engsten Truppe.
Bren entdeckte auch den in Schwarz gekleideten Jungen von Dur in der Menge, flankiert von zwei Männern, aber nicht mehr in Handschellen.
Seltsam, daß dessen Teilnahme an dieser vermeintlich zweckfreien Landpartie für notwendig erachtet wurde. Und daß Tano und Algini bislang fehlten, erschien Bren nicht minder seltsam.
Vielleicht hatte Banichi sie mit einer Aufgabe betraut, einem Botengang zum Flughafen vielleicht oder – abwegiger Gedanke – hinauf nach Mogari-nai, wo sich nicht nur jene Anlage befand, die seit Jahrzehnten die Raumstation überwachte, sondern auch einer der Hauptverbindungsknoten der elektronischen Kommunikation.
Da waren die Bodenstation und eine Reihe von Radars, die auf Mospheira ausgerichtet waren, so wie diejenigen der Gegenseite aufs Festland.
Dort lag sozusagen das Nervenzentrum, betrieben von Gildenmitgliedern, die sich ihm oder selbst Tabini gegenüber bislang nicht besonders kooperativ gezeigt hatten.
Deprimiert über den Tod des Vaters und die eigene Situation, hatte Jason den Wunsch geäußert, das Meer zu sehen. Er, Bren, hatte spontan gesagt: Warum nicht Geigi besuchen und fischen gehen, dem sagenhaften Gelbschwanz nachstellen? Und vielleicht ein bißchen reiten. Die Mecheiti waren noch nicht für den Sommer nach Malguri zurückgeführt worden.
Also war er zur Aiji-Mutter gegangen in der Hoffnung, daß sie ihm weiterhelfen würde und Jason beibrächte, was auch er, Bren, schon durch sie gelernt hatte. Wozu sie sich sogleich einverstanden erklärt hatte. Und es war durchaus sinnvoll gewesen, statt Geigis Anwesen aufzusuchen, den näher gelegenen Aiji-Besitz anzusteuern – sinnvoll nicht zuletzt aus politischen Gründen: Mochte Geigi ihnen auf der Burg einen Besuch abstatten, per Boot oder durch die Luft gleichermaßen bequem anreisen.
Verflixt! dachte Bren. Er war nicht weiter darauf eingegangen, als Ilisidi darauf hingewiesen hatte, daß die Burg den Flughafen quasi überschaute. Genauso wenig hatte er sich die Nähe zu Mogari-nai durch den Kopf gehen lassen, das, auf hohem Felsen gelegen, weit übers Meer hinausschaute.
Und er hatte die Verwicklung mit der Insel Dur nicht hinreichend bedacht sowie deren Nähe zu den heimlichen Funkverbindungen im Norden, nicht berücksichtigt, daß Dur aufgrund seiner Insellage genauso unerreichbar war wie Mospheira, wenn es darum ging, Probleme auszuräumen.
Mit Rejiris Auftauchen in der vergangenen Nacht hatte er überhaupt nicht gerechnet.
Aber auch Ilisidi schien überrascht gewesen zu sein – wenn nicht, hatte sie ihre Verblüffung gut gespielt.
Nächtliche Transporte, die seine Sicherheitskräfte nicht gerade in Aufregung versetzt hatten, also vielleicht wirklich fahrplanmäßig angerollt waren, mit
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