Atevi 3 - Erbe
Innere. »Haben Sie ihm alles erklärt, Jago-ji? Das ganze Universum auseinandergelegt?«
»Fast«, antwortete Jago. »Und ihm die Pistole gegeben. Die Sie bitte, wenn überhaupt, mit äußerster Diskretion gebrauchen sollten, Bren-ji.«
»Ich hoffe nie.«
»Jedenfalls läßt sie sich nur mit mir in Verbindung bringen«, sagte Banichi. »Und das ist in Anbetracht der brisanten Lage von eher geringer Bedeutung.«
»Wie hat sie es nur geschafft, mich dazu zu bringen, daß ich sie bitte, mit uns hierher zu kommen?« Bren rätselte immer noch. »Bin ich so leicht durchschaubar?«
»Ihre Bitte war ohne Belang. Wahrscheinlich hätte der Aiji Sie so oder so losgeschickt«, sagte Jago. »Und Ilisidi brauchte nicht gebeten zu werden. Sie ist nach Shejidan gekommen, um Sie abzuholen. Der Empfang war für sie nur ein Vorwand. Sie wollte Tabini auf den Zahn fühlen, sich Klarheit verschaffen, was Ihre Position betrifft, und Jason in Augenschein nehmen.«
Bren bekam ein flaues Gefühl. »Und Tatiseigi? Welche Rolle spielt er dabei?«
»Ah«, antwortete Banichi. »Onkel Tatiseigi. Die Wetten sind abgeschlossen und der Einsatz ist hoch.«
In Erinnerung an den geplatzten Scheinwerfer und seine Reaktion darauf spürte Bren, wie sich ihm der Magen zusammenzog.
»Man weiß also immer noch nicht, wo er steht?«
»Bren-ji«, erwiderte Jago. »Nicht einmal Saigimi wußte, wo er steht. Und auch wir geraten bisweilen in Man’chi-Konflikte. Mit Logik ist dem nur selten beizukommen.«
»Mann kann nur hoffen, daß Tatiseigi den Fernseher nicht findet«, meinte Banichi.
Bren lachte.
»Ich werde zu Jason ins Zelt gehen«, erklärte Banichi. »Seien Sie – vernünftig, Nadiin. Bleiben Sie möglichst leise.«
»Banichi«, hob er an, doch es war zu spät. Banichi hatte das Zelt schon verlassen und entschieden, daß er, Bren, die Nacht nirgendwo anders verbringen konnte.
Es war dunkel und völlig still. Vielleicht gab es noch Einzelheiten zu besprechen. »Gibt’s noch etwas, das ich wissen müßte?« fragte er.
»Ich habe alles gesagt, was ich weiß, Bren-ji.«
Das Schweigen dauerte an.
»Wir sollten uns ausruhen«, sagte Jago.
»Jago…« flüsterte er und spürte einen Kloß im Hals.
»Sie müssen sich nicht zu irgend etwas verpflichtet fühlen, Nadi-ji. Banichi hat einen eigenartigen Humor.«
»Jago…« Er tastete im Dunklen nach ihrer Hand und fand statt dessen, was sich wie ihr Knie anfühlte, und dachte an die peinliche Situation in der vergangenen Nacht, als er sich überrumpelt vorgekommen war. Das ewige Problem: Er wußte einfach nicht, welche Signale er ihr gab und wie sie seine Gesten deutete. Und in seiner ungeschützten Vorstellung war ihm diese Berührung im Dunklen ungemein lustvoll und verwerflich.
Ihre Hand legte sich zielsicher auf seine, warm und fest, und streichelte auf eine Weise, die alle Versuche, einen Einwand zu begründen, im Ansatz scheitern ließen.
»Jago«, hob er von neuem an, als sie mit der Hand über sein Knie glitt. »Ich weiß wirklich nicht, ob das so gut ist:«
Und sie ließ von ihm ab.
Zu seiner großen Enttäuschung. Aber es gelang ihm, ihre Hand wiederzufinden und festzuhalten. »Jago«, sagte er zum vierten Mal. »Ich mache mir Gedanken…« – ihre Finger schlossen sich um seinen Daumen, was ihn ganz durcheinander brachte -»…um den Anstand«, stammelte er. »Banichi. Die Aiji-Mutter. Ich begehre Sie, aber…«
»Sie steht doch außerhalb Ihres Man’chi. Nicht weit.
Aber außerhalb. Und falls heute nacht irgend etwas passieren sollte, ist es besser, Sie sind hier und Banichi bei Jason.«
»Was könnte denn passieren?« »Alles mögliche. Was immer Ihnen gefällt. Ich bin geneigt, Ihnen und mir Gutes zu tun.«
Er spürte ihre Wärme und sah im Wetterleuchten ihren Schatten, ganz dicht bei sich. »Sollten wir dann nicht lieber…«
»Ja, wir sollten uns vor den Waffen in acht nehmen«, entgegnete sie, belustigt, wie ihm schien, und ertastete mit den Fingern die Knopfleiste seiner Jacke.
Ihm drängte das Blut in den Kopf, und er wich ihr aus, als sie unter den Aufschlag langte, um nach seiner Pistole zu suchen. »Jago-ji, man wird sich das Maul über uns zerreißen.«
»Ach was, nicht hier«, antwortete sie, und irgendwie waren beide schon jenseits ihrer jeweiligen Schutzlinien. Er dachte nicht mehr zielgerichtet, erforschte ein Territorium, das er noch nie gesehen hatte und auch jetzt nicht sah, zum ersten Mal in seinem Leben allein und wiederum nicht allein. Sie tat
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