Atevi 3 - Erbe
Stimmt das, Nadi? Nach Mogari-nai? Also nicht hinunter ans Meer?«
Der Junge von Dur machte ein Gesicht, als ahnte er, daß er möglicherweise etwas Unpassendes gesagt hatte. Und Bren versuchte sich zu erinnern, was er Jason jenseits des Berges an neuen Informationen gesagt hatte.
»Sie haben mir versprochen, daß wir ans Meer gehen, Nadi. Wir wollen Fische fangen. In Mogari-nai gibt’s, wie Sie sagten, Probleme. Nand’ Rejiri meint, daß sein Vater Truppen dorthin schicken sollte und daß Sie sich bitte bei der Aiji-Mutter dafür einsetzen, daß er zu seinem Vater zurückkehren kann, um ihn aufzufordern, mit Waffen gegen Mogari-nai vorzugehen.«
»Fragen Sie die Aiji-Mutter doch selbst«, antwortete Bren an Rejiri gewandt.
»Das habe ich bereits, nand’ Paidhi. Aber sie traut mir nicht.«
»Vielleicht hat sie aber auch andere Gründe, Nadi, Gründe, die sie geheimhält, und ich rate Ihnen zu bedenken, daß sie nur deshalb so alt geworden ist, weil manche ihrer Feinde tot sind.«
Rejiris blickte ernüchtert drein. »Nandi«, sagte er.
Während ein gekränkter Zimmergenosse darauf brannte, seine Fragen loszuwerden.
»Jason«, sagte Bren, »wir gehen nach Mogari-nai, und mir wird zunehmend bewußt, daß wir in Schwierigkeiten sind.«
»Wir sind nicht im Urlaub?«
»Ich fürchte nein.«
»Wo waren Sie vergangene Nacht?«
Der Junge von Dur war ganz Ohr.
»Bei einem Gespräch«, antwortete Bren.
»Aber nicht mit mir«, entgegnete Jason und wandte sich ab.
»Jason!« rief Bren ihm nach, doch Jason ließ sich nicht aufhalten und ging an der Reihe der abgebauten und in Säcken verpackten Zelte entlang.
Vor aller Augen konnte er Jason nicht hinterherlaufen oder gar einen Streit anfangen. Jason war wirklich kein Diplomat. Es mochte wer weiß was geschehen, wenn er die Beherrschung verlöre.
Ilisidi saß mittlerweile schon ungeduldig auf Babsidis Rücken und zusammen mit Cenedi führte sie die Herde dahin, wo Sättel und Zaumzeug bereitlagen.
»Mir scheint, ich habe zu viel gesagt«, meinte Rejiri verschämt.
Bren hatte noch nie persönlich mit einem jugendlichen Ateva zu tun gehabt, erst recht nicht mit einem Jungen an der Grenze zur Unabhängigkeit.
Und er hatte nicht vor, den Jungen zu kränken, dem wahrscheinlich schon von Banichi der Kopf gewaschen worden war. »Hat nand’ Banichi Ihnen Ratschläge erteilt?«
»Ja, nand’ Paidhi.«
»Waren es gute Ratschläge?«
Es entstand eine kurze Pause. »Ja, nand’ Paidhi.«
»Er ist ein weiser Mann«, sagte Bren. »Von ihm nehme auch ich und selbst der Aiji Ratschläge entgegen. Ich an Ihrer Stelle würde mich an ihn halten und tun, was er sagt.«
Bren dachte weniger an den Jungen als an Jason und daran, wie er seine eigenen Fehler wiedergutmachen konnte, und vielleicht wollte er sich für Banichis Scherze revanchieren, daß er den Jungen auf ihn ansetzte.
Der Junge wirkte erleichtert. »Danke, nand’ Paidhi«, sagte er und eilte auf Banichi zu.
Sogleich meldeten sich bei Bren Bedenken, doch dann fiel ihm ein, daß Ilisidi und deren Männer aus dem Osten stammten und daß von allen Amtsträgern nur er und Jason in einem eindeutigen Man’chi-Verhältnis zu Tabini standen. Tatsächlich hatte er dem verwirrten Jungen soeben nahegelegt, sich vertrauensvoll an Banichi zu wenden. Und damit hatte er dem Jungen durchaus gut geraten.
Wenn er doch bloß eine ähnlich glückliche Hand mit der eigenen Spezies hätte, dachte Bren.
Es wurde hektisch und laut, als Ilisidis Männer die Mecheiti sattelten.
»Hallo, hallo«, grüßte die Aiji-Mutter gut gelaunt und, auf Babsidi sitzend, von imponierender Höhe herab. »Einen guten Morgen wünsche ich, nand’ Paidhi.«
Ob sie Bescheid wußte? fragte sich Bren. In ihrem Umkreis nahm Ilisidi jedes Niesen zur Kenntnis. Und dieses umwerbende Wechselspielchen, das sie miteinander getrieben hatten, er und Ilisidi – maskierte es womöglich unausgesprochene Besitzansprüche? Einer alten Frau echte Neigungen? Desaster?
»Sie inspirieren mich zu vielen Fragen«, sagte sie und lenkte Babsidi an ihm vorbei. Nokhada war gesattelt. Wie auch Jasons Mecheita, und es gab weder einen Ort noch die Zeit, miteinander zu reden, da die Tiere auf ihre Reiter warteten und die Diener darauf, beim Aufsitzen behilflich sein zu können.
Er ließ Nokhada niederknien und schwang sich mit den für den zweiten Reittag typischen Schmerzen in den Sattel. Jason, so ahnte er, würde wohl sehr viel schlimmer dran sein. Beschwerdefrei waren
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