Atevi 3 - Erbe
»Woher weißt du das alles? Und seit wann?«
»Ich habe mit ihr telefoniert«, antwortete Jason kleinlaut. Er war bleich im Gesicht und schwitzte. »Das war von Anfang an so abgesprochen: Wir wollten nicht alles mit uns machen lassen und notfalls – egal wie – die Seite wechseln, wenn man uns nötigen würde, Dinge zu tun, die wir nicht zu tun bereit sind. Und Yolanda… sie hat mich angerufen. Daher weiß ich Bescheid. Wir haben verabredet, daß sie versucht, übers Wasser zu kommen, und daß ich mit dir ans Meer reise und nach ihr suche. Ich hatte keine Ahnung, wie weitläufig der Küstenstreifen ist.«
»Jason, die Geschichte hat so viele Löcher…«
»Ich lüge nicht.«
»Du hast doch wohl nicht im Ernst damit gerechnet, sie irgendwo an der Küste aufgabeln zu können. Und wie will sie dorthin gelangen? Mit einem Boot, mit einem Flugzeug, schwimmend?« Bren mußte an sich halten. »Ich frage noch einmal: Woher weiß du von Yolandas Absicht? Und erzähl mir nichts von einem Anruf.«
»Es war so abgesprochen, Bren. Wir wußten nicht, worauf wir uns einließen, und haben uns darum für den Ernstfall einen Plan zurechtgelegt. Denn uns war klar: Schwierigkeiten würde es auf beiden Seiten geben können. Allerdings hatten wir damit am ehesten unter den Atevi auf dem Festland gerechnet. Wie dem auch sei, wir haben uns auf ein Notsignal verständigt. Wer in der Klemme steckte, würde dem andern mitteilen, daß es aus seiner Familie Trauriges zu berichten gebe. Wir dachten, daß selbst Atevi Verständnis für solche Fälle aufbrächten und zulassen würden, daß wir uns austauschen. Eine Krankmeldung sollte heißen: Ich will hier weg; eine Todesanzeige: Es geht um Leben und Tod. Yolanda sagte, mein Vater sei gestorben, Bren. Sie ist also in äußerster Gefahr.«
Bren wußte nicht so recht, ob er sein Mienenspiel noch unter Kontrolle hatte. Er war wütend, fühlte sich in arge Verlegenheit gebracht und ahnte, daß Jago einen Großteil von Jasons Beichte mitbekommen hatte. Er, Bren, war mit dessen Lüge in allen einschlägigen Regierungsstellen hausieren gegangen. Er hatte sich eingemischt in eine ohnehin brandgefährliche Auseinandersetzung mit einer Gilde, deren hiesige Mitgliedschaft zur Hälfte fluchtartig den Ort verlassen hatte, an dem sie sich – die Aiji-Mutter und Konsorten – gerade befanden.
»Ich kannte die Atevi nicht«, verteidigte sich Jason. »Ich wußte nicht, wie die Dinge hier stehen und daß du selbst große Probleme hast. Als ich dann endlich klarer sah, kam Yolandas Anruf, und es stellte sich die Frage: Wie kann ich sie aufs Festland holen? Ohne dich zu behelligen, wo du doch selbst nicht weißt, wie du deine Familie in Sicherheit bringen kannst. Ich dachte mir schon, daß es nicht so klappen würde, wie geplant, und fühlte mich beschissen, weil ich mich dir aus Rücksicht auf deine Situation nicht anvertrauen konnte; da fiel mir nichts anderes ein, als irgendwie an die Kanalküste zu gelangen, um, wenn sie es schafft, zur Stelle zu sein…«
»Weißt du«, entgegnete Bren in einer Tonlage, deren Festigkeit ihn selbst verblüffte, »ich kann vieles wegstecken und würde unter anderen Umständen klaglos hinnehmen, daß du mich an der Nase herumgeführt hast. Aber erlaube mir, dich zu erinnern, daß du mir aus ähnlichen Gründen die größten Vorhaltungen gemacht hast, Jason! Ein Riesentheater hast du veranstaltet und verlangt, daß ich mich bei dir entschuldige. Umgekehrt wär’s angemessener gewesen.« »Ich wußte nicht, ob ich dir glauben kann.« »Jetzt weißt du’s?«
»Jetzt glaube ich dir«, antwortete Jason. »War nicht abgemacht, daß wir sie im Ernstfall holen lassen? Weshalb gilt die Verabredung von damals nicht mehr?«
»Ich war unschlüssig und dachte, daß sie womöglich vom Regen in die Traufe gerät, wenn wir sie holen lassen. Außerdem habe ich nicht gewagt, die Sache vorzutragen. Du warst unterwegs und hast vier Tage lang nichts von dir hören lassen. Das Personal konnte ich nicht um Hilfe bitten. Du hattest mir ja eingeschärft, vorsichtig zu sein. Und dann war es auch schon zu spät. Von meiner Mutter erfuhr ich, daß man im Schiff seit vier Tagen nichts von Yolanda gehört hatte. Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte.«
»Darum wolltest du hierher. Aber was du vorfindest, entspricht nicht deinen Erwartungen. Trotzdem vertraust du mir jetzt.«
»Ja.« Jason schluckte. »Denn alles, was du mir gesagt hast, macht jetzt Sinn. Vermutlich hat Yolandas
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