Athyra
kommt davon, wenn man seine Zeit bei Philosophen und Athyra verbringt.«
»Oh.«
»Und Geheimnisse hat.«
»Oh.«
Ein merkwürdiges Gefühl überkam Savn, als hätten er und Vlad eine gewisse Übereinstimmung erlangt – es schien, als könne er, wenn er dem Ostländer eine Frage stellte, eine Antwort bekommen. Jedoch wurde ihm klar, daß er nicht recht wußte, was von all den Dingen, über die er nachgedacht hatte, er ihn fragen sollte. Schließlich fragte er: »Hast du wirklich viel Zeit unter Edelleuten der Athyra verbracht?«
»Eigentlich nicht, aber ich kannte mal einen Hawklord, der ganz ähnlich war. Und übrigens auch einen Trommler.«
»Oh. Hast du die auch getötet?«
Vlad riß den Kopf hoch; dann lachte er kurz auf. »Nein«, antwortete er und fügte hinzu: »Andererseits war es bei beiden ziemlich kurz davor.«
»Wieso waren sie wie die Athyra?«
»Was weißt du über dieses Haus?«
»Na, Seine Lordschaft ist einer.«
»Ja. Deshalb kam ich darauf. Siehst du, es ist eine Sache des Philosophischen und des Praktischen; des Mystischen und des Mondänen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß«, sagte Vlad und starrte weiter über den Fluß.
»Würdest du es erklären?«
»Ich weiß nicht recht, ob ich das kann«, erwiderte Vlad. Er schaute kurz auf Savn, dann wieder über die Klippen. »Viele verachten die intellektuellen Vorgänge. Doch jene, die sich nicht davor fürchten, entdecken manchmal, daß, je weiter man sich von der gewöhnlichen, alltäglichen Welt entfernt, man um so mehr Verständnis für sie aufbringen kann; und je mehr man von der Welt versteht, um so mehr kann man handeln, anstatt nur behandelt zu werden. Das«, fügte er wie einen Anhang hinzu, »ist genau das Wesen der Hexenkunst.«
»Aber du hast vorher gesagt, man sollte sich einmischen, und jetzt sagst du, man sollte abseits stehen.«
»Erwischt«, sagte Vlad lächelnd.
Savn wartete, bis er weitersprach. Etwas später setzte sich Vlad auf der Klippe hin.
»Nicht bei Taten abseits stehen«, sagte er. »Ich meine, hab keine Angst davor, allgemeine Schlüsse zu ziehen, die Gesetze zu entdecken, die in den Handlungen der Geschichte stecken, und –«
»Ich verstehe nicht.«
Vlad seufzte. »Du solltest mich nicht auf so etwas bringen.«
»Aber die Athyra …«
»Ja. Es gibt zwei Arten von Athyra. Manche sind Mystiker, die versuchen, das Wesen der Welt zu erforschen, indem sie in sich selbst hineinschauen, und manche sind Forscher, die die Welt als ein Problem ansehen, das es zu lösen gilt, wodurch sie andere Leute entweder zu Störungen oder zu Puzzleteilen reduzieren und sie dementsprechend behandeln.«
Savn dachte darüber nach und sagte: »Die Forscher hören sich gefährlich an.«
»Sind sie. Nicht annähernd so gefährlich wie die Mystiker, allerdings.«
»Wieso denn das?«
»Weil die Forscher wenigstens glauben, daß andere wirklich sind, wenn auch unwichtig. Für einen Mystiker ist das, was im Innern wirkt, die einzige Wirklichkeit.«
»Aha.«
»Baron Kleineklippe ist ein Mystiker.«
»Oh.«
Vlad erhob sich ruckartig, und Savn fürchtete kurz, daß er sich über die Klippe stürzen wollte. Statt dessen holte er Luft und sagte: »Er ist einer der schlimmsten Mystiker. Er kann die Menschen nur als …« Seine Stimme verlor sich. Er schaute Savn an, dann wieder woandershin. Einen Augenblick lang dachte Savn, er habe derartigen Zorn im Ostländer verborgen gesehen, daß einer von Sprechers Wutausbrüchen wie das Schmollen eines Kleinkindes wirkte.
Um Vlad abzulenken, fragte Savn: »Was bist du?«
Anscheinend klappte es, denn Vlad lachte kurz auf. »Du meinst, ob ich ein Mystiker oder ein Forscher bin? Ich habe inzwischen seit Jahren nach einer Antwort darauf gesucht. Und noch keine gefunden, aber ich weiß, daß andere Menschen wirklich sind, und das ist doch etwas.«
»Bestimmt.«
»Es gab eine Zeit, da wußte ich das nicht.«
Savn fiel daraufhin nichts Passendes ein, also sagte er nichts.
Nach einer Weile fügte Vlad hinzu: »Und ich höre Philosophen zu.«
»Wenn du sie nicht umbringst«, sagte Savn.
Diesmal lachte der Ostländer. »Selbst dann höre ich ihnen immer zu.«
»Ich verstehe«, sagte Savn.
Vlad schaute ihn plötzlich direkt an. »Ja, ich glaube, das tust du.«
»Das scheint dich zu überraschen.«
»Tut mir leid«, sagte Vlad. »Du bist, ich weiß nicht, gebildeter, als die meisten von uns in der Stadt glauben würden.«
»Ach so. Nun, ich habe meine Zahlen und die Geschichte
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