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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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wohnte, trat seine Schwester in Begleitung zweier ihrer Freundinnen durch die Tür, was ihn, aus Gründen, die er nicht genau benennen konnte, dazu brachte, diesen Plan fallenzulassen.
    Sie kam auch sofort auf ihn zu und zog ihn in einen Winkel. »Was ist denn gestern nacht mit dir passiert?«
    »Was meinst du?«
    »Du warst Ewigkeiten weg. Mä und Pä sind bald verrückt geworden. Ich bin dann ins Bett, und als ich heute morgen aufgestanden bin und gefragt habe, ob du aufgetaucht bist, haben sie mich angesehen, als wüßten sie nicht, wovon ich rede, und gesagt, du wärst schon auf und losgegangen.«
    »Stimmt ja auch.«
    »Das meine ich nicht, Finkenhirn.«
    »Nenn mich nicht Finkenhirn.«
    »Wo warst du denn?«
    »Die Höhlen erforschen.«
    »Nachts?«
    »Klar. Wieso nicht?«
    »Aber warum bist du so spät gekommen?«
    »Ich hab nicht mehr auf die Zeit geachtet.«
    Sie runzelte die Stirn. Die Antwort stellte sie eindeutig nicht zufrieden, aber sie wußte nicht recht, wie sie mehr herausfinden sollte. »Tja, aber«, begann sie, »findest du nicht, daß Mä und Pä sich ein bißchen komisch benommen haben, wo sie doch erst so in Sorge waren und dann –«
    »Ach, du weißt doch, wie sie sind. Hör mal, wir reden später weiter, ja? Ich muß weg.«
    »Weg? Wohin? Savn, laß das. Wage es bloß nicht, so zu verschwinden. Savn …«
    Ihre Stimme folgte ihm durch die Tür, aber er achtete nicht darauf. Der einzige Ort, an dem er Vlad zu finden glaubte, waren die Höhlen, also rannte er sofort dorthin los. Die erste Meile folgte er der Straße zum Herrschaftshaus, dann nahm er die Abkürzung über den Hang. Doch als er gerade absteigen wollte, sah er in einiger Entfernung eine grau gekleidete Gestalt auf der Klippe selbst stehen. Er lief los und war sich gewiß, daß es sich tatsächlich um Vlad handelte, denn der Ostländer drehte sich zu ihm und winkte, als wüßte er von ihm.
    Als Savn ankam, konnte er erst mal nichts sagen, sondern blieb stehen und rang nach Luft. Vlad schaute auf die Flußufer weit unter ihnen, auf denen Badende wie Punkte herumliefen, Kleider wuschen oder sich einfach unterhielten. Savn versuchte, sich dieses Bild wie etwas noch nie Gesehenes vorzustellen; den Fluß, der von rechts heranrauschte, dann rasch und weiß gischtend um die Schwarzen Felsen floß, unvermittelt in die flachen Weiten auslief, braun vor gelbem Fels, und darauf allmählich wieder schmaler wurde, wo er die Ebene durchschnitt und sich nach Süden wandte, zum Meer hin, das viele hundert unvorstellbare Meilen entfernt lag.
    »Es ist wunderschön, nicht?« sagte Savn.
    »Ja?« fragte Vlad, ohne den Blick abzuwenden.
    »Findest du nicht?«
    »Mag sein. Die Natur begeistert mich gewöhnlich nicht so sehr. Mich beeindruckt, was der Mensch aus seiner Welt macht, nicht, was uns von Anfang an gegeben ist.«
    »Ach so.« Savn überlegte. »Ich nehme an, ich bin genau das Gegenteil.«
    »Ja.«
    »Ist das von Bedeutung?«
    Vlad schaute ihn an, und etwas wie Belustigung funkelte kurz in seinen Augen auf. Dann drehte er sich wieder zum Fluß um. »Ja und nein«, antwortete er. »Vor ein paar Jahren traf ich eine Philosophin, die mir sagte, daß die, die sind wie ich, erbauen, während die, die sind wie du, mehr Vergnügen am Leben finden.«
    »Gibt es nicht solche, denen beides gefällt?«
    »Doch. Die werden, der Dame zufolge, Künstler.«
    »Oh. Gefällt dir das Leben?«
    »Mir? Ja, aber ich habe von Natur aus Glück.«
    »Oh.« Savn dachte an das zurück, was ihm der Ostländer in der vergangenen Nacht erzählt hatte. »Mußt du wohl, wenn du immer noch lebst, obwohl Leute dich umbringen wollen.«
    »Oh, nein. Das ist kein Glück. Ich lebe noch, weil ich zum Überleben gut genug bin.«
    »Was meinst du dann?«
    »Ich habe Glück, daß ich, so wie ich lebe und mit Leuten, die mich umlegen wollen, trotzdem Vergnügen am Leben haben kann. Das kann nicht jeder, und ich finde, wenn man es nicht kann, dann kann man auch nicht viel tun.«
    »Oh. Ich habe noch nie einen Philosophen getroffen.«
    »Ich hoffe, du triffst mal einen; es lohnt sich immer, mit ihnen zu sprechen.«
    »Pä sagt, solche Sachen sind Zeitverschwendung.«
    »Dein Pä hat, es tut mir leid, unrecht.«
    »Wieso?«
    »Weil alles eine eingehende Betrachtung wert ist, und wenn du deine Weltsicht nicht prüfst, bist du ihr dennoch Untertan, und du siehst dich Dinge tun, die – nicht so wichtig.«
    »Ich glaube, ich verstehe.«
    »Wirklich? Gut.« Nach einer Weile sagte er wie zu

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