Athyra
sich selbst: »Von dieser Dame habe ich viel gelernt. Es hat mir leid getan, sie umzubringen.«
Savn starrte ihn an, doch der Ostländer sah nicht aus, als scherzte er. Sie schauten weiter auf die Flußufer und sagten eine Zeitlang gar nichts.
ICH HEIRATE KEINEN SEELENHIRTEN,
ICH HEIRATE KEINEN SEELENHIRTEN,
DENN MICH WÜRD ER ZULETZT BEWIRTEN.
HEISSA HEISSA BUM BUM!
EINS NACH VORN …
Sie standen so nahe dabei, daß Savn ein paar der Leute unten erkennen konnte, eher an ihrer Kleidung und den Bewegungen als am Gesicht. Von einigen wußte er die Namen, aber er kannte keinen gut, und zum erstenmal fragte er sich, warum. Kleineklippe lag an Großeklippe näher als an Weißfels oder Nichtganzda, doch diese beiden Orte hatte er schon besucht, und durch ein paar kleine Ausflüge und seine Arbeit mit Meister Wack kannte er ein paar Menschen, die in den beiden Dörfern wohnten; doch die Bauern dort unten waren Fremde, auch diejenigen, die er erkannte und mit denen er bereits gesprochen hatte.
Mä und Pä erwähnten sie fast nie, außer wenn Pä hin und wieder mal beiläufig davon sprach, daß es schmutzig sei, am gleichen Ort zu baden, wo man auch wäscht. Wenn die dort unten aber zu Meister Wack kamen, wirkten sie ganz angenehm, und Savn erkannte keinen Unterschied.
Komisch aber, daß er früher nie darüber nachgedacht hatte. Neben ihm schaute Vlad mit zielstrebiger Konzentration hinab, die Savn an etwas erinnerte, das er einmal, vor langer Zeit, gesehen hatte, an das er sich aber nicht mehr gut erinnerte. Trotzdem spürte er etwas wie Furcht, als er den Vergleich machte.
»Vlad?« fragte Savn schließlich.
»Ja?«
»Diese Leute sind … schon gut.«
»Sie sind was?«
Savn versuchte stockend, dem Ostländer zu erklären, was er über sie gedacht hatte, aber er konnte die richtigen Worte nicht finden, deshalb zuckte er am Ende die Achseln und verstummte.
Vlad fragte: »Sind auch sie Untertanen von Baron Kleineklippe?«
»Ja. Er ist auch der Baron von Großeklippe.«
Vlad nickte: »Wovon außerdem?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, daß drüben in Weißfels jemand anders Lord ist. Ein Dzurlord. Man hört einige Geschichten über ihn.«
»Ach? Was für Geschichten?«
»Keine besonders netten. Man muß zwei Tage in der Woche auf seinen Feldern arbeiten, auch in den schlechten Jahren, wenn man alles braucht, um die eigenen zu unterhalten, und er kümmert sich nicht darum, wie schwer es für einen dadurch wird oder ob man vielleicht verhungert, und manchmal tut er Dinge, die, na ja, die ich nicht so recht weiß, weil die Großen sagen, ich sei noch zu jung dafür, aber sie sind ziemlich schlimm. Seine Steuereintreiber können einen wann sie wollen verprügeln, und man kann nichts dagegen tun. Und seine Soldaten bringen einen um, wenn man ihnen im Weg steht, und als ihr Sprecher sich deshalb beim Imperium beklagen wollte, haben sie ihn töten lassen und so was.«
»Und hier passiert so etwas nicht?«
»Na ja, die Steuereintreiber können manchmal ganz schön fies sein, aber nicht so schlimm. Hier haben wir Glück.«
»Sieht wohl so aus.«
Sie verstummten wieder. Vlad starrte weiter nach unten auf den Fluß. Schließlich fragte Savn: »Vlad, wenn du die Natur nicht genießt, was machst du dann?«
»Die Leute beobachten.«
»Die sind komisch«, sagte Savn.
»Das sagtest du schon. Aber du hast mir noch nicht erklärt, in welcher Hinsicht sie komisch sind.«
Savn machte den Mund auf und wieder zu. Er sollte nicht das wiederholen, was Mä und Pä über sie gesagt hatten, weil er sicher war, daß Vlad ihn nur für engstirnig halten würde. Schließlich meinte er: »Die reden so seltsam.«
Vlad schaute ihn an: »Seltsam? Wie?«
»Na, früher hat es mal einen Seriolistamm gegeben, der dort unten gelebt hat. Die sind erst vor ein paar hundert Jahren fortgezogen, und bis dahin haben sie direkt neben den Leuten aus Großeklippe gelebt und die ganze Zeit mit denen geredet, und –«
»Und die Leute aus Großeklippe benutzen Wörter der Serioli?«
»Nicht, wenn sie mit uns sprechen. Aber es ist, wenn, ähm, sie setzen die Wörter anders zusammen als wir.«
»Kannst du sie verstehen?«
»Ja, klar. Aber es hört sich komisch an.«
»Hmmm«, machte Vlad.
»Wieso beobachtest du sie?«
»Ich weiß nicht genau. Ich suche einen Weg, etwas zu tun, was ich tun muß.«
»Warum redest du immer so?«
Vlad schoß ihm einen kurzen Blick hinüber, den Savn nicht lesen konnte, dann sagte er: »Das
Weitere Kostenlose Bücher