Atlan 01 - Lepso 01 - Totentaucher
Welten des Imperiums trugen noch heute die Narben dieses Angriffs.
»Wir möchten gerne mit dem Dolan sprechen. Wäre das möglich?«, fragte ich Dr. Frehma.
Frehma, nur wenig über eineinhalb Meter groß, blickte mit seinem koboldhaften Gesicht auf zu mir, wischte sich ein paar Strähnen seines dünnen schwarzen Haares aus der Stirn und tippte auf den Kommunikator.
»Ich müsste dabei sein!«
Ich nickte und begann das wohl seltsamste Verhör, das ich je geführt hatte.
»Odysseus, wie bist du nach Lepso gekommen?«, rief ich in den Kommunikator, den Dr. Frehma mir hin hielt.
Schweigen. »Sag’s ihm, mein Großer«, munterte Frehma ihn auf.
Ich wusste, dass der Kommunikator das, was wir sagten, in Gedankenimpulse übersetzte. Der Dolan war nicht fähig zu artikulieren.
Frehmas Stimme klang alt und brüchig, als der Dolan durch seinen Mund antwortete: »Viel Feuer. Innen außen überall. Schmerz.«
Ein Dolan besaß nur eine schwache Eigenintelligenz. Er konnte primitive Gefühle entwickeln, aber es fiel ihm bereits schwer, Vergangenheit und Gegenwart zu unterscheiden. Wenn ich ihn nun an das erinnerte, was ihn hierher geführt hatte, erlebte er es noch einmal.
»Woher kommt das Feuer? Wer feuert? Wurdest du beschossen? Bist du in eine Sonne gestürzt?«
»So viel Feuer. Innen außen überall.«
Es war sinnlos.
»Gebieter Zolv tot, alle tot, ich allein, alle tot«, röchelte Frehma.
Ich dachte nach. »Es genügt«, sagte ich dann.
Frehma hob erstaunt die Brauen. »Mehr wollten Sie nicht wissen?«
»Mehr kann uns der Dolan nicht sagen. Aber andere können es.«
Frehma lachte. »Andere Dolans habe ich nicht. Odysseus ist ein Einzelstück.«
»Nicht ganz«, lächelte ich. »Ein Dolan ist an sich kein Einzelstück. Er ist nie allein. Er hat Symbionten an Bord, in der Regel sieben. Diese sieben Exekutoren bilden zusammen das Symposium und borgen dem Dolan ihr Bewusstsein – wenn auch meist nicht ganz freiwillig. Sie steuern ihn, sie sind seine Augen und Ohren, sein Schutz, seine Waffen, sein Antrieb. Ihr Dolan hat eben erzählt, dass diese Exekutoren ausgefallen sind, tot sind. Wir werden die Toten befragen.«
»Aber sicher«, sagte Frehma entgeistert. »Ich habe keine Leichen im Dolan gesehen.«
»Gehen wir nachsehen«, bat ich ihn.
Frehma forderte den Dolan auf, sich zu öffnen. In der ledrigen schwarzen Haut des Retortenwesens öffnete sich ein Spalt. Dahinter wurde ein Gang sichtbar. Der Boden schimmerte wie Bernstein, so dass er fast durchsichtig wirkte, und tauchte den Korridor in ein Licht wie aus Honig. Die Wände ragten über fünf Meter hoch und wölbten sich zur Decke, dunkelbraun, stellenweise sogar schwarz. Silbrige Fäden durchzogen die Schwärze. Das waren die längst mit dem Zellgewebe verwachsenen Kabelstränge, die die einzelnen Maschinen miteinander verbanden.
Frehma ging ungelenk voran, seine Arme schlenkerten. Er roch ganz leicht nach Gin.
Wir passierten Abschnitte, in denen die Wand in Fetzen hing. Irgendetwas musste die Maschine, die hier ins Dolan-Gewebe eingesenkt gewesen war, heraus gerissen haben. Ein Dolan war normalerweise mit Hightechgeräten bestückt: mit Intervallkanonen, Paratronprojektoren und einem Dimetranstriebwerk, das die Abgründe zwischen den Galaxien überbrücken konnte. Alle diese Aggregate waren offenkundig aus dem Dolan herausgepflückt oder herausgebrochen worden – und zwar mit einer unvorstellbaren Gewalt. Es waren Wunden von vielen Metern Durchmesser.
»Es ist schwer, den Dolan zu heilen«, entschuldigte sich Dr. Frehma, der meine Blicke bemerkt hatte. »Wohin wollen Sie überhaupt?«
Ich erklärte ihm, dass wir den Raum suchten, in dem die Körper der Exekutoren aufgebahrt lagen. Dieser Raum musste sich im oberen Teil des Dolans befinden, unter dem Instinktgehirn des Dolans, an der Mittelachse seines fast einhundert Meter durchmessenden Kugelleibes orientiert.
Ich überließ mich der Leitung durch meinen Extrasinn. Dennoch brauchten wir eine halbe Stunde, bis wir vor der Gruft standen. Der Dolan schuf nur zögernd einen Durchgang – es ist ein intimer Vorgang , deutete mein Extrasinn, er schämt sich.
Es war kühl hier, aber bei weitem nicht so kühl wie ich erwartet hatte. Eigentlich hätten die Bewusstseinsspender in dieser Kammer bei einer Temperatur von – 196 Grad Celsius lagern sollen. Aber es mochte zwei, drei Grad unter Null sein, kälter nicht.
Die Leichen sahen intakt aus. Vier der Exekutoren ähnelten entfernt menschlichen Wesen;
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