Atlan 02 - Lepso 02 - Die acht Namenlosen
ins Gehege, noch behinderte einer den anderen nicht. Beide bildeten sich ein, Details ihrer Bestrebungen vor dem Robotkommandanten geheim halten zu können.
Irhe’vorma wusste über jeden ihrer Schritte Bescheid, ebenso wie über jede Handlung Atlans. Sie konnten kein Wort wechseln, ohne dass der Robotkommandant es hörte.
Irhe’vorma beobachtete minutiös das Machtspiel und die Entwicklungen innerhalb des Energieschirms, und er erstellte laufend Wahrscheinlichkeitsberechnungen über den weiteren Verlauf. Seit kurzem liefen alle Berechnungen auf eine Katastrophe hinaus.
Mit Atlan war ein dritter Machtfaktor in die Gesellschaft seiner Gefangenen geraten … ein Glied, das vor allem dank Ohm Santarin den ehemaligen Thakan Flakio Tasamur und den Kahlen auf verhängnisvolle Weise verband.
Eine sehr ungünstige Entwicklung der Dinge.
Allerdings gab es noch keinen Grund einzugreifen. Irhe’vorma beobachtete weiter. Wenn sich seine Wahrscheinlichkeitsberechnungen bestätigten oder verschärften, würde er keine Wahl haben.
Er sah die Lösung klar vor sich. Die Biologischen würden sie als perfide empfinden; Irhe’vorma hingegen nannte es konsequent.
Die Lösung lag im nächsten Gladiatorenkampf.
In einem ganz besonderen Arenaspiel.
Kinder. Mit ihrem Anblick hatte ich am wenigsten gerechnet. Es war ein mehr als eigenartiges Gefühl, an diesem Platz, mitten in der Hölle von Abanfül, unter den elendsten Bedingungen und in denkbar schlechter Gesellschaft ausgerechnet Kindern zu begegnen.
»Ihr seid überrascht?« Unser Führer starrte erst Ohm, dann mich an. Mir schien, dass sich in der leeren Augenhöhle etwas bewegte. Arbeiteten dort noch Muskeln, die ihre eigentliche Funktion verloren hatten?
»Sind Kinder nicht ein Teil des Lebens?«, fuhr er fort. »Wir werden uns bis zu unserem Lebensende in Gefangenschaft befinden. Es wäre verrückt anzunehmen, wir kämen jemals wieder in Freiheit. In der Schweißöde sind Männer und Frauen gefangen. Was spricht dagegen, wenn sie sich zusammentun? Wenn wir unser Leben so wertvoll gestalten, wie es unter den gegebenen Bedingungen möglich ist? Etwas Spaß haben und in die Zukunft investieren?«
Seine Rede kam mir wie einstudiert vor. Als müsse er seine Worte vor sich selbst rechtfertigen.
Ein Kind blieb direkt vor Ohm stehen und sah aus großen Augen zu ihm auf. Mein Einsatzpartner bückte sich.
Das Mädchen war auf den ersten Blick als Halbarkonidin zu erkennen. Glattes weißes Haar hing über die Schultern bis zur Hüfte. Die feinen Gesichtszüge wirkten aristokratisch, als sei mindestens eins ihrer Elternteile dem arkonidischen Hochadel angehörig.
Die Augen des Kindes waren jedoch nicht rot, wie es bei meinem Volk üblich war, sondern von strahlendem Blau. Es trug ein zerschlissenes, farbloses Kleidchen und mochte sechs, höchstens acht Jahre alt sein.
Du kannst dich sehr leicht täuschen , klärte mich der Extrasinn auf. Das Kind wächst unter extremen Bedingungen auf. Mangelhafte Ernährung hat aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Wachstum und ihre Entwicklung beeinträchtigt. Sie kann leicht zehn sein oder noch einige Jahre älter.
»Du bist ein Arkonide«, sagte das Mädchen mit fester Stimme, offenbar stolz darauf, sein Wissen zu präsentieren. Es lachte breit und zeigte unregelmäßige Zähne. Im Oberkiefer fehlte ein Schneidezahn. »Ich mag Arkoniden.«
Es schlang die zierlichen Ärmchen um Ohms Leib, barg sein Gesicht einen Augenblick an der Schulter meines Begleiters, der noch immer tief gebeugt dastand. Dann ließ es ihn blitzartig los. »Aber sei mir nicht böse, wenn ich dir sage, dass ich Terraner lieber mag. Weißt du, meine Mama war eine Terranerin.«
Das Kind schüttelte den Kopf, dass die langen weißen Haare flogen. Ein Käfer löste sich daraus und flog brummend davon. »Meine Mama ist tot, weißt du?« Wieder der Blick aus den großen Augen.
»Das tut mir leid«, antwortete Ohm unbeholfen.
»Warum?«, fragte das Mädchen mit der bestechenden Logik, die nur Kindern zu eigen ist. »Du hast sie doch gar nicht gekannt. Oder doch?«
»Nein«, gab Ohm zu. »Ich kannte sie nicht. Dennoch ist es schade, dass sie gestorben ist. Vermisst du sie nicht?«
»Ach, ich war erst drei, als sie von uns ging. Ich erinnere mich kaum. Jetzt ist sie in einer besseren Welt.« Das Kind nahm Ohms Hand und drückte sie voll ungestümer Begeisterung. »Ich heiße übrigens Hoffnung. Komm mit. Ich zeige dir das Lager. Es wird dir gefallen.«
»Hoffnung«,
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