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Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit

Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit

Titel: Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael H. Buchholz
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hatte.
    Wie hatten sie ihn damals genannt? Den Gehetzten von Aralon …
    Hendrik Vouner, der Gedanke, nickte und ging.
    Trilith Okt war zu schwach, um ihm zu folgen.
    Eine Mattheit, die sie sicherer an ihr Bett fesselte als es die Kraftfeld-Manschetten jemals vermocht hätten, schlug über ihr zusammen, färbte alles rot, machte alles tot, brachte alles ins Lot.
    Vielleicht , dachte sie. Wie Leicht. Leichter. Tot.
    Hendrik Vouner war längst tot, gestorben um das Jahr 2400 herum.
    Vielleicht würde sie ihm doch folgen.
    Nur die Augen schließen. Nicht mehr schießen.
    Dann war nichts mehr.
     
     
    Wie viele Stunden oder gar Tage sie in diesem Dämmerzustand verbrachte, vermochte Trilith nicht einmal zu ahnen. Helligkeitsphasen wechselten sich mit Dunkelzeiten ab, aber entweder gab es keinen erkennbaren Rhythmus in ihrem Wechsel, oder ihr Zeitempfinden war ebenso in Mitleidenschaft gezogen wie ihre Fähigkeit des klaren Denkens.
    Manchmal sah sie, wenn sie während der hellen Phase erwachte, den Medorobot geschäftig hin- und herschweben; immer wieder kehrte er zu ihrem linken Bein zurück, tupfte, sprühte, schnitt, desinfizierte daran herum, alles, ohne dass sie dabei die Berührungen spürte; aber sie war zu schwach, auch nur den Kopf zu heben, und ihr Bein war bis zur Hüfte hinauf taub.
    Die Schmerzen kamen meist in den Dunkelphasen, und dann war ihr, als zöge ihr jemand die Haut vom Fleisch. Sie wollte sich bei der Schiffspositronik beschweren, wollte aufstehen, wollte ihr Vibromesser nehmen und sich die künstliche Gliedmaße eigenhändig abtrennen, denn alles erschien ihr besser und erträglicher zu sein, selbst ein Weiterleben als verkrüppelter Schatten ihrer Selbst, wenn nur die Glutwellen endlich aufhörten, die ihr Körper generierte, um sich gegen das Fremde, das dem künstlichen Unterschenkel innewohnte, zu wehren.
    Eines Nachts – sie interpretierte die Dunkelzeiten als Nacht, wenngleich keine zwei dieser Phasen gleich lang waren – erwachte sie von einem ekligen Gefühl der Nässe an ihrem linken Oberschenkel. Offenbar registrierte auch die GAHENTEPE eine Veränderung, denn kaum hatte Trilith sich gerührt, wurde die Krankenstation hell. Der Medorobot entfernte die Decke, schob den Kittel hoch, und sie sah, dass die Haut ihres linken Beins mit zentimetergroßen Blasen übersät war, in denen sich ein weißliches Sekret sammelte. Bei der geringsten Berührung platzten die Blasen auf und gaben das Sekret frei. Die zwischen den offenen Stellen verbliebene Haut leuchtete in brandigem Rot. Eine kleine Wolke von Mikrobots schwirrte heran. Die winzigen Maschinen begannen mit irgendwelchen Arbeiten; vielleicht war ihnen auch zu verdanken, dass die junge Frau in dieser Situation keine Schmerzen verspürte, obwohl ein großer Teil ihres Beines eine einzige offene Wunde darstellte. Dennoch: Das war die Stunde, in der Trilith Okt beschloss, zu sterben. Dies war kein Kampf, den sie gewinnen konnte. Sie wendete den Kopf ab und starrte wortlos an die Wand.
    Vergingen Stunden?
    Es war nicht länger wichtig. Nichts war mehr wichtig. Alles, was sie noch hatte, war die Hoffnung auf einen baldigen Tod. Es gab nichts mehr, für das sich noch zu kämpfen lohnte.
    »Leben«, sagte eine matte Stimme neben ihr. Es war nur ein Hauchen, eine Einbildung ihrer überreizten Nerven.
    Wahnvorstellungen , dachte Trilith und starrte weiter an die Wand.
    »… will … leben …«
    Nein , dachte Trilith, das stimmt nicht. Ich will tot sein. Ich will nicht weiter dahinvegetieren.
    »Leben«, hauchte es abermals unmittelbar in ihrem Rücken, »… helfen …«
    Trilith riss die Augen auf – das hintere Augenpaar – und starrte zu der zweiten Krankenliege hinüber. Konnte es sein, dass ihre Gefährtin ausgerechnet jetzt aus dem Koma erwachte?
    »Lalia«, krächzte sie und drehte sich mit äußerster Kraft zu der Freundin um. Sie streckte eine Hand aus und sah die andere junge Frau in einem Kegel aus blauen Licht friedlich auf ihrer Bettstatt liegen. Sie schlief wie immer. Wie immer? Nein. Ihre Lippen bewegten sich. Und sie schlug die Augen auf! Die Pupillen fuhren wie suchend umher; es gelang der Schicksalsgefährtin nicht, ihren Blick zu fokussieren, noch nicht, aber …
    »Lalia!«, brachte Trilith lauter heraus. »Ich bin hier. Hörst du mich? Lalia?«
    Trilith Okt beugte sich aller Schmerzen zum Trotz so weit aus ihrem Bett hinüber, wie sie es nur eben vermochte. Sie suchte die Hand ihrer Freundin und drückte sie zärtlich.

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