Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
und warf sich in den Stuhl vor dem Arbeitstisch, dass er quietschte.
Oderich Musek schloss schicksalsergeben die Augen.
Das Knistern der Securfolie blieb für Minuten das einzige Geräusch in der Kabine.
Der Interkomruf aktivierte den Schirm über dem Arbeitstisch. Patty verzog das Gesicht, als habe sie Zahnschmerzen.
»Koramal – genau, was wir jetzt brauchen: Schwierigkeiten. Sind Sie einen Augenblick abkömmlich?«
Die Pilotin wartete eine Antwort gar nicht erst ab. Der Schirm wurde dunkel. Ich erhob mich von der Durplexcouch und folgte dem Hauptkorridor nach vorn.
Die Kanzel befand sich am Bug der Schute, in einer Art Schnabelfortsatz des eigentlichen Frachters. Zwei große Glassitfenster umrahmten ein doppelt angelegtes Steuerpult, vor dem zwei Pneumokontursitze dem Piloten und einem Kopiloten Platz boten. Das ganze Arrangement erinnerte an die primitiven Flugzeugkanzeln der prä-rhodanschen Zeit, war aber in etwa zweimal so breit und tief wie das Cockpit des damals größten Flugzeugs, der russischen Antonow. Verglichen mit der Polkanzel einer Space-Jet war das Platzangebot in der Müllschute allerdings immer noch verdammt eng.
Voraus leuchtete Rudyn in weiß, braun und blau, eine riesige Scheibe, der Erde bis auf den Verlauf der Küstenlinien überaus ähnlich. Sein Durchmesser betrug 13.408 Kilometer. Die Schwerkraft lag mit 1,07 Gravos nur schwach über der irdischen Norm. Die Tage waren mit 22,7 Stunden etwas kürzer. Ich sah Poleiskappen auf den beiden polaren Kontinenten, aber Dicke und Ausdehnung waren geringer als auf Terra; die Durchschnittstemperatur lag bei 27 Grad Celsius. Die entsprechenden Werte wurden von der Schiftspositronik angezeigt. Wir näherten uns Rudyn in einem allmählich absinkenden Orbit in Südnord-Richtung. Ein Tasterbild zeigte, dass Rudyn wie auch Terra oder Arkon von einem unüberschaubaren Schwarm von Satelliten umgeben war. Einige größere Punkte stellten Raumdocks, Wachforts und Verkehrskontrollzentren dar.
Patty winkte mich auf den Sitz des Kopiloten.
»Ein Kontrollanruf von RAS 4, der militärischen Rudynaußenstation. Die ZUIM lässt fragen, ob ich Passagiere an Bord hätte.«
»Und, haben Sie?«
»Zu meinem tiefsten Bedauern: nein.«
»Aber?«
»Aber ich werde nach Moltov Port umgeleitet. Zwecks außerplanmäßiger Inspektion. Landung direkt auf einem abgeriegelten Feld der Ausrüstungsbasis der Schnellen Ephelegonischen Kampfverbände.«
»Mist.«
»Sie sagen es, Bruder. Ich nehme an, das bringt Ihren Plan gehörig ins Wanken?«
Ich wiegte zweifelnd meinen Kopf. »Wieso nehmen Sie an, ich verfüge über einen Plan?«
»Na, kommen Sie. Ihr Agenten habt doch immer einen Plan in petto. Und einen etwaigen anderen. Wie nennt ihr das gleich? Plan E.«
»Plan B.«
»Na bitte, sag ich doch.«
»Ich wäre froh, ich hätte einen.«
»Es gibt immer eine Lösung«, sagte sie mit einer Zuversicht, die ich gern geteilt hätte. »Sie sind doch der Agent. Greifen Sie in Ihre Trickkiste.«
»Woran denken Sie?«
Patty machte eine abwägende Handbewegung. »Ich hab hier oben viel Zeit, wissen Sie. Ich schau mir gern die uralten Schinken an. Agenten-TriVids, Sie wissen schon. Die Abteilung III. Die Spezialisten der USO. Die SolAb. Sie kennen die einschlägigen Filme doch auch, oder?«
Sie beugte sich zu mir herüber und stieß mir ihren fleischigen Ellbogen in die Seite. Mit tiefer Stimme imitierte sie: »Mein Name ist Aboyer, Emilio Alberto Aboyer. – Na? Nicht? Nun kommen Sie schon. Die Dritte Waffe? Voltzowskis Meisterwerk? In der Regie von Wokatschel? Ist doch immer noch der Brüller, oder was?«
»Ich erinnere mich«, sagte ich. »Ist allerdings schon Jahre her. Wie hieß noch gleich dieser alkoholverrückte Matten-Willy?«
Sie nickte begeistert. Und hob die Schultern.
»Keine Ahnung. Aber die Spezialeffekte waren großartig – für die damalige Zeit. Das müssen Sie zugeben. Überhaupt: So übel war Terra damals gar nicht, denke ich.«
»Aber heute schon?«
Patty seufzte und deutete mit dem Daumen achteraus. »Wenn Sie Ihrem speziellen Freund in der ZUIM Glauben schenken, ist Terra heute die sprichwörtliche Ausgeburt der Hölle. Ich kann’s mir allerdings nicht vorstellen. Auch dort leben Menschen, die Nachkommen unserer Vorfahren, mit ihren Sorgen und Nöten. Ich meine, auch auf Terra werfen sie den Müll nicht einfach auf die Straße, oder? Auch dort haben sie Werte, auch sie nehmen ihre Verantwortung für die Gemeinschaft wahr und wichtig.
Weitere Kostenlose Bücher