Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
glänzte, verlorn.
Er fand sich als Graffito in tausendfacher Ausführung wieder.
Als wäre das noch nicht genug: Vor drei Stunden hatte Puskasz von ersten Unruhen in der Suniastra berichtet, dem Genzezer Universitätszentrum. Angeblich war es zu einer Kundgebung von Studenten gekommen, die mit »Neife lebt!«-Sprechchören über den Campus gezogen waren. Entsprechende Holobanner entstanden über Nacht an allen Ecken der Stadt. Selbstgebastelte fliegende Drohnen sausten mit einem lächelnden Holoporträt von Neife Varidis durch die Straßen.
Vor zwei Stunden hatte es in Edbarsk einen spontanen Aufstand von Verladearbeitern gegeben, die, mit Eisenstangen bewaffnet, örtliche Obhutspatrouillen angegriffen hatten.
Die jüngste Nachricht, vor einer Stunde eingetroffen, ließ befürchten, dass die Dinge eine verhängnisvolle Eigendynamik anzunehmen begannen.
In Orokanu, einem Arbeiterwohnviertel, hatten Jugendliche die Versorgungsleitungen mehrerer Wohntürme gekappt. Es gab zahlreiche Unfälle beim panikartigen Verlassen der Gebäude. Ein regelrechter Mob aus tausenden Bürgern aller Altersgruppen war von Sicherheitskräften eingekesselt und kurzerhand paralysiert worden. Leider war es zu Missverständnissen und Kompetenzgerangel innerhalb der Obhutsbrigaden gekommen. Angeblich hatte Arbin Kobmeyer, der frühere Kalfaktor und jetzige Konkordant für Innere Sicherheit, persönlich den Einsatz tödlicher Waffen genehmigt, was von den aufgebrachten Bürgern angrenzender Stadtteile mit wütenden Protesten beantwortet wurde. Zahlreiche Verletzte blockierten inzwischen die Betten sämtlicher Kliniken; Ärzte und Pflegekräfte wurden aus ihren Freistunden zurückbeordert.
Gesandte ausländischer Botschaften verlangten Erklärungen.
Ross-Koalitionäre prangerten die Einschränkungen der Handelsbeziehungen an.
Der Botschafter des Imperiums Dabrifa forderte zum verstärkten Durchgreifen der »zunehmend schwächelnden« inneren Sicherheitsorgane auf.
Die Chan-Kitsune der Tarey-Bruderschaft distanzierten sich noch am Abend des 17. September öffentlich von Unterstellungen, die von einer angeblichen Mittäterschaft von Botschaftsangehörigen an einem Anschlag auf Akadie Holeste sprachen. »Das Verhalten der Interimsregierung Nastase sei«, so ein Chan-Sprecher, »mit vermehrtem Argwohn zu betrachten.«
Neuen Wind auf die Mühlen der Chan-Kitsune brachte am Morgen des 18. Septembers die Meldung eines verheerenden Sturms im Gebirgsmassiv des Holoi, bei dem zahlreiche Angehörige der rechts- und rechtefrei lebenden Santuasi-Bevölkerung in den Tod gerissen worden seien. Die Chan-Kitsune der Tarey-Bruderschaft bezeichnete die Santuasi als »Brüder und Schwestern im Geiste einer umgreifenden Ehrfurcht vor den universellen Wahrheiten«. Sie nannten die Unfähigkeit der Regierung Nastase, die Santuasi vor einem einfachen Sturm zu bewahren, »eine politische Bankrotterklärung, ein groteskes Versagen staatstragender Kräfte und eine dahinterstehende freiheitsferne Geisteshaltung«, die nicht nur die Santuasi der Vernichtung preisgegeben, sondern auch die Werte der Tarey-Bruderschaft »tief in ihrem Empfinden« schwer getroffen habe. Man erwäge, die Beziehungen zur ZGU neu zu überdenken.
Als Ephelegon über der Genzezer Bucht aufging, lief im Hearas-Netz ein neuer Spot an.
»Fragt nicht«, sagte eine computeranimierte Neife Varidis lächelnd, »was ihr für die Union tun könnt. Fragt vielmehr, was euch die Union bisher angetan hat. Und was sie euch all die Jahre vorenthalten hat. Fragt euch, was man mir antat, als ich diesen Zustand ändern wollte. Für euch, meine Freunde. Für euch – das Volk, dem ich meine ganze Kraft, ja mein Leben widme. Das Volk, dem auch ich angehöre und dem ich mit Leidenschaft sage: Ja, wir sind eins. Fragt euch, ob nicht manchmal der Schein trügt, besonders, wenn der Schein von ganz oben kommt. Nicht alles, was golden ist, funkelt; aber nicht alles, was glänzte, ist verloren. Fragt euch, wer ihr seid. Und wofür ihr bereit seid – ihr, das Volk.«
Marco Fau kam die Galle hoch, wenn er nur daran dachte.
Er baute seinen kleinen Körper vor Puskasz auf und funkelte seinen Ordonanzleutnant böse an. »Also? Ich höre!«
Saul Puskasz schluckte mehrfach, ehe er sagte: »Ja, Sir. Wir können den Sender weder lokalisieren noch überlagern noch auch nur abschirmen. Das ist es, was ich Ihnen sagen kann. Alles andere wäre gelogen.«
Mit einem Wutschrei ließ sich der Konkordant in seinen Sessel
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