Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Wandteppiche und deaktivierte Holoprojektoren. Während eine schmächtige Rothaarige drei ponygroße Doggen aus dem Eingang zerrte, gefolgt von einem riesigen, glatzköpfigen Planiergerätepiloten, der zwei Pythons um die tätowierten Schultern und einen zusammengeschnürten Alligator unter dem Arm trug, senkten sich Roboter und schwebende Desintegratoren auf die Dachkanten.
Ein summendes, brausendes Knirschen erschütterte die nahe Umgebung. Es dauerte eine Minute, um das Gebäude etwa einen Meter zu verkleinern.
Schutt, Trümmer und Staub wurden von einem sturmartigen Wirbel erfasst und verschwanden in einem mächtigen transportablen Transmitter mit gelbschwarzem Rahmen.
Drei Stunden später war Haus Nummer drei verschwunden. Im Boden gähnte ein rechteckiges Loch, etwa fünfzig Meter tief, mit absolut messerscharfen Wänden, ohne Grundwassereintragungen, mit ebenem Boden. Die glatten Flächen waren von Frischwasserrohren, Abwasserrohren, blanken Energiekabeln, verschiedenen Kanälen und den Querschnitten einiger Stahlbeton-Korridore unterbrochen. Meist waagrecht, mitunter schräg oder wellig zeigten sich die Farbunterschiede der Sedimente, die sich unter der einstigen Wüste Gobi geschichtet hatten.
Tristan Li sah in stiller Verzweiflung, wie sich das Holo der hüllenlos lächelnden Olgej im Halbdunkel seines Zimmers auflöste und durch die gestochen scharfen Bilder des verschwindenden Hauses und der Baugrube ersetzt wurden.
Er setzte die Flasche, die lauwarme Cola enthielt, an die Lippen und dachte: »Das ist das Signal. Die Zündung. Die Flamme für ein Fanal. Jetzt wird Simmi zuschlagen, und wenn es sein Leben kostet.«
Trotzdem beneidete er Simmi. Zweifellos liebte ihn Greta. Sie teilten Tisch und Bett. Und in Simmis Versteck taten sie, was er sich ersehnte, wann immer sie wollten und Lust dazu verspürten. Mit oder ohne gestohlenen Scotch, aber ohne schale Hologramme der Geliebten, leidenschaftlich und unkontrolliert, und ohne an die verdammte Zukunft zu denken.
»Nun geht es dahin«, murmelte er und sah zu, wie die ersten Baukommandos anrückten, »und der Kampf der Aussagen, der Lügen, der Verzerrungen und des gewaltsamen Widerstandes fängt mit aller Macht an.«
Er streckte sich aus und zog die Decke bis zum Hals. Jeder Idiot konnte sich die nächsten Schritte vorstellen. Die ehemaligen Bewohner des Hauses Nummer 3 würden, psychologisch perfekt konditioniert, gegenüber jedem Reporter und allen Medien aussagen, sie wären freiwillig ausgezogen. Man würde ihre neuen Wohnungen zeigen, bis hin zum optischen Überdruss, untermalt mit klassischer Musik, und aus unrasierten Gleiterpiloten waren plötzlich glatthäutige Gleiter-Chefpiloten geworden, und selbst die Haustiere – Nattern, Echsen, marsianische Skorpione, Katzen, Spinnen oder Hunde aller Größen würden sich in größeren, schöneren, klimatisierten Käfigen und Terrarien tummeln.
In Wahrheit war Kunshun von der GCC und der Stadtverwaltung an einer Stelle schnell, professionell und angeblich schmerzlos amputiert worden.
Der Traum löste sich im Pfeifen des Weckers auf. Tristan Li seufzte und kletterte ächzend aus seinem zerwühlten Bett. Er murmelte: »Greta und Simmi, Anulphe und Baluchman, das perfekte Pärchen, hat schon jetzt die Herausforderung angenommen. O Dunkelwanderer Randonare – das wird böse enden!«
Ungefähr zweitausend kritiklose, manipulierbare Anhänger würden tun, was Simmi befahl. Die Auseinandersetzung würde überaus heftig werden. Zum ersten Mal glaubte Tristan zu verstehen, dass sich Greta und Simmi in einer persönlichen virtuellen Welt bewegten und das Risiko eingegangen waren, lieber jung zu sterben als in Langeweile alt zu werden. Nach dem Motto: Lebe aufregend im Schnellgang, stirb jung, und du hast dein Leben voll gelebt!
Während Tristan kochendes Wasser auf eine erhebliche Menge Pulverkaffee schüttete, viel Milch und Zucker dazugab und versuchte, richtig wach zu werden, hörte er die Nachrichten im Trivid und begann sich zu fragen, ob eine finstere Macht sich anschickte, den fragilen Frieden in der Metropole in hasserfüllte Aktionen zu verwandeln. Er kam, weil er um diese Zeit seinem Verstand misstraute, zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Jerx Glinder sah offensichtlich keinen Grund, die Anführer von MEINLEID zu warnen. Niemand drang in Kunshun ein, um Greta und Simmi festzunehmen. Tristan fragte sich, warum er seit einigen Tagen stets dann, wenn er nicht abgelenkt wurde, an
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