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Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Titel: Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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und darüber, dass ihre Stimmungen binnen weniger Stunden so stark schwankten, dass man sie als manisch-depressiv bezeichnen konnte – einerseits »himmelhoch jauchzend«, dann wieder »zu Tode betrübt«. Tristans Fieber schien endgültig verschwunden zu sein, und kurzer Schlaf half ihm und Olgej über die depressiven Momente hinweg.
    Als Tristan fünf Stunden nach Mitternacht aufwachte, war er allein. In einer ihrer depressiven Phasen – in der ersten Phase ihres Lebens! – hatte sich Olgej angezogen und war gegangen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Selbst ihre unförmige Brille hatte sie mitgenommen.
    Wohin?
    Tristan Li fühlte, dass sein Hochgefühl, die Klarheit seines Verstandes und das Bewusstsein, jedes Problem seines Lebens mit Leichtigkeit lösen zu können, dahinschwanden. Er fand im Kühlschrank eine angebrochene Flasche Wein, setzte sich vor den Monitor und schaltete einen Nachrichtenkanal ein.
    Die Meldungen über Aktivitäten von MEINLEID-Anhängern rissen nicht ab. Weit verstreut über nahezu das gesamte Stadtgebiet tauchten Graffiti an Mauern, Scheiben und Fahrzeugen auf, schwebten unerträglich stinkende Holosprays zwischen den Häusern, brannten Polizeigleiter und wurden Züge der Rohrbahnen auf offener Strecke angehalten und ihre Steuerungen sabotiert. Die Arbeiten am Neubau des geräumten und abgetragenen Gebäudes hatten noch nicht begonnen. Tristan rief in Olgejs Wohnung an, aber niemand meldete sich. Wo war Olgej?
    Die Nachrichten deprimierten ihn noch mehr. Er leerte die Flasche und warf sich aufs Bett. Als er aufwachte, fühlte er den unwiderstehlichen Drang, wieder zwischen den Schalen der Austernmuschel zu liegen und danach zu spüren, dass das Leben schön und voller Abenteuer war, die er mit Leichtigkeit bestehen würde.
    Er konnte seine Gedanken und Empfindungen noch nicht sortieren. Noch viel weniger vermochte er seinen Zustand in Worte kleiden. Schönes Leben? Leichtigkeit des Daseins?
    Es gehörte mehr dazu. Er war ein Nichts. Jeder Weg zu einer anderen Lebensform bedingte ein Bündel von Wissen, Kenntnissen, Erziehung und Überzeugungen, über das er nicht verfügte. Er hatte es nie gelernt. Er musste sich alles selbst mühsam beibringen. Eine Aufgabe, die seine Kräfte überstieg – glaubte er.
    Die Austernmuschel hatte ihn mit neuen Kräften ausgerüstet. Das war sicher. Er war mit seinem neuen Selbstbewusstsein unwiderstehlich geworden. Die Nacht mit Olgej war der Beweis.
    Neue, saubere Kleidung? Auch das. Ein geputztes, müllfreies Apartment? Eine Leichtigkeit. Wie sollte er regulär einkaufen, statt zu stehlen oder stehlen zu lassen? Er würde arbeiten müssen. Aber was konnte er? Es begann ihm zu dämmern, dass die Gesellschaft der breiten Mehrheit, deren Ideale er wirklich nicht als einzig erstrebenswertes Ziel definierte, in all ihrer Sauberkeit und Eigentümlichkeit dem Leben in Kunshun und im Hinterhof der Mailo Road vorzuziehen war.
    Konnte er weiterhin die Pläne Simmi Orloffs und Greta Gales unterstützen? Auch für sich selbst? Tote Polizisten hatten nichts mehr mit dem Beharren in einer gewohnten Gemütlichkeit und in einer zerfallenden Umgebung zu tun. Er stellte sich dadurch außerhalb der Gesellschaft, von der er eben geträumt hatte.
    Keine dieser Fragen konnte er beantworten. Noch nicht. Wahrscheinlich half ihm ein Zugewinn an Erkenntnisfähigkeit, und diesen Gewinn garantierte der Sarkophag. Die logische Folge war, dass er wieder diesen Fund aus der Vergangenheit aufsuchen musste.
    »Vielleicht hilft’s«, sagte er leise. Er entschloss sich, ohne zu zögern. »Ich muss es versuchen.«
    Er zog seine schmutzige Hades-Kleidung an, rüstete sich aus und benutzte den Lift für den ersten Schritt in die Unterwelt.
    Nachdem Tristan sich der Wirkung des Sarkophags ausgesetzt hatte, eilte er voller Tatendrang in den Aufenthaltsraum der Basis hinauf. Zwei, drei Blicke genügten, und er sah, dass in der Zwischenzeit Olgej hier gewesen war. Leere Nahrungsmittelverpackungen lagen im Abfall, Wasserflaschen und eine Dose Energietrank waren ausgetrunken, den Boden des Raumes hatte sie sorgfältig gefegt.
    »Also hat es sie auch wieder her getrieben«, murmelte er grinsend. »Ich hätte es mir denken können. Nun, warum nicht? Vielleicht wollte sie allein sein, ohne mich.«
    Und vielleicht, dachte er, sollte er die Austernmuschel in ein anderes Versteck bringen. An eine Stelle, an der sie zwar sicher, aber leichter zu erreichen war. Er hatte schon einmal den

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