Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Wo sich die Lautsprecher befanden, war nicht festzustellen. Simmi schien getrunken zu haben. Er wirkte nicht wie ein 34-Jähriger, sondern zehn, fünfzehn Jahre älter und aufgeschwemmt. Aber seine Reden und Aufforderungen waren klar und überaus deutlich.
Der Polizeigleiter hielt an, die Türen öffneten sich. Einige Kunshuner gingen zur Seite, als die Uniformierten ausstiegen. Die Polizisten machten keine Anstalten, die Menge auseinanderzutreiben, sondern drängten sich nach vorn, auf die Rampe zu, um Simmi Orloff zuzuhören. Sie schienen jedes Wort zu verstehen, plötzlich seine Ansichten zu teilen, und wie sich in den nächsten Minuten zeigte, gehorchten sie auch seinen Befehlen. Einige übergaben den Umstehenden freiwillig ihre Waffen, andere gingen zurück zum Gleiter und zogen junge Kunshuner mit sich, die mit dem Polizeifahrzeug mitfuhren.
»Das ist unfassbar«, sagte Milon nach einer Weile. »Orloff und Gale sind wahre Suggestoren! Sogar Polizisten schließen sich den Aufrührern an.«
»Ich habe es eben dem Käpt’n gemeldet«, antwortete Connaire und sah Tristan bei seiner ruhelosen Wanderung zu. »Befehl für uns: Weitermachen. Und Tristan zurückbringen.«
Milon rief eine Bildfolge nach der anderen auf und kopierte die positronische Aufzeichnung. Ab und zu, in unregelmäßigen Abständen, meldete sich Olgej und führte kurze Selbstgespräche. Sie hatte nicht nur die Treffpunkte für den heutigen Tag, sondern auch weitergehende Einsatzpläne ausgearbeitet, zusammen mit Greta, die offensichtlich das Konzept dafür eine Art Großangriff verwirklichen wollte. Die Anschläge sollten, strahlenförmig von Kunshun ausgehend, nach Westen, Norden und Osten der Stadt gerichtet werden, und zwar entlang einer Zickzackreihe von Punkten, die schon geglückte Terroranschläge markierten.
»Mit diesem Wissen sind wir den Kunshuner MEINLEID-Verbrechern einen weiten Schritt voraus«, sagte Connaire schließlich. »Oder glaubst du, dass Atlan weiter zusieht, wie Terrania verwüstet wird?«
»Ich bin sicher, dass er seinem alten Freund mit allen Kräften helfen wird«, bekräftigte Milon. »Und zwar sehr bald.«
»Mit allen Kräften. Also mit uns.«
»Deswegen sind wir an Bord gegangen und hierher geflogen. Fertig?« Milo warf den Datenträger aus und steckte ihn ein. »Hier ist die letzte Tonaufzeichnung der jungen Frau. Sie hat fünf Stunden ununterbrochen geschuftet … hört zu.« Er tippte auf eine Taste.
»Ich kann nicht mehr … morgen zwingt sie mich wieder. Am besten, ich flieg zu Tristan. Aber bin ich dort sicher? Ich versuch’s. Und nachher fliegen wir zu den Raumfahrern …«
Ihre Stimme riss ab. Milon Taffy hob resignierend die Arme und streckte die Hand nach dem Hauptschalter aus.
»Viel mehr kann ich aus diesem Sammelsurium nicht herausholen«, sagte er, und dann lauter: »Wir fliegen zu Ihnen, Tristan. Wenn Olgej nicht dort ist, versucht sie, zu uns zum Raumhafen zu gelangen.«
»Wahrscheinlich ist es das Beste.« Tristan nickte Ira Connaire zu. »Sehen wir nach. Haben Sie im Schiff angefragt?«
Connaire nickte.
»Olgej ist nicht bei uns im Raumschiff. Gehen wir.«
Taffy schaltete die gesamte positronische Anlage ab. Die Männer verließen die Wohnung, liefen die Nottreppe zum Dach hinauf, ohne dass ihnen jemand begegnete. Dreißig Sekunden später befanden sie sich im Schutz der Deflektorfelder auf dem Flug zur Mailo Road. Das Dach war voller verdorrter Pflanzen, Gerümpel und Abfall. Die Airjet war nirgendwo zu sehen.
»Ich gehe voraus«, sagte Tristan und eilte die Stufen hinunter, schloss die Wohnungstür auf und stürzte in den Raum hinein.
»Olgej! Liebling! Bist du hier?«, rief er und riss die Türen auf.
Connaire und Taffy folgten. Zwei, drei Blicke genügten, um zu erkennen, dass die Wohnung zwar sauber und weniger chaotisch war als Olgejs Behausung, aber dass die Frau sich nicht hier befand. Tristan zerrte die Tür zum Balkon auf, ein Rudel Geckorats huschte pfeifend davon, aber auch hier waren weder die Airjet noch Olgej. Als er ins Zimmer zurückkam, schrillte das Türsignal.
Connaire und Taffy zogen sich in Winkel zurück, die nicht einsehbar waren. Taffy flüsterte, die Hand am Kolben der Lähmwaffe: »Machen Sie auf. Wir sind wachsam.«
Tristan öffnete die Tür.
Seine Nachbarin, eine ältere Frau, kam auf ihn zu, packte mit beiden Händen seinen Arm und sagte stockend, voller echtem Mitgefühl: »Die arme Kleine. Sie hat noch Ihren Namen gerufen, aber wir konnten nichts
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