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Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Titel: Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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verfault gewesen. Dann glitt sie weiter, zu den anderen Pfahlhäusern und über die Lagune zum Strand der Landzunge.
    Später sah Heaq die Blase wieder über das Wasser gleiten und im Meer versinken.
    Und abermals verging viel Zeit. Tage und Monde; Mondwechsel, Ebbe und Flut. Die zwölf Menschen überzeugten mit jedem Wort und brachten ihren Frauen und Männern, Kindern und Eltern jede Stunde eine kleine, neue Erkenntnis oder die Steigerung einer Fähigkeit. Sie bauten schneller, mit geeigneteren Materialien, bessere Pfahlhäuser, fingen größere Fische, fanden das optimale Holz für jede Art Schnitzerei, entwickelten aus Korallen, gespaltenen Steinen, Fischgräten und Walknochen, aus den Zähnen großer Fische und hartem Treibholz bessere Werkzeuge, lernten Wunden mit Kräutern des Uferwaldes schneller zu heilen und Geburten zu erleichtern. Zwei Mal während eines Mondwechsels erschien die Blase und holte sie ab, um sie in der Muschel träumen zu lassen.
    Die Mondphasen wechselten. Heaq suchte sich aus den Frauen, die mit ihm in den Blasen reisten, die langbeinige Konoa als Gefährtin aus. Sie verstand ihn am schnellsten und lernte lesen, schreiben und rechnen. Neben der Muschel hatte Heaq weiße dünne Vierecke und farbige Griffel gefunden, aus deren Spitzen Striche und Punkte quollen. In regelmäßigen Abständen träumten sie alle in der großen grauen Muschel, und unter den anderen Bewohnern dieses Gebietes – es waren einige Dutzend Großfamilien – wuchsen ihr Ansehen und ihr Status, und bald bedeuteten sie den anderen Menschen so viel wie Götter. Wie die Götter, die in der Stadt unter dem Meer lebten, und die niemand zu Gesicht bekommen hatte.
    Vor der Abenddämmerung, die den Himmel mit mächtigen Wolkengebirgen in glühenden Farben überzog, saßen Konoa und Heaq am Ende des Stegs, tranken kühlen Palmwein und betrachteten die Schaumkronen der sanft anrollenden Wellen.
    »So vieles ist in den elf Monden geschehen, die wir als Boten der Götter erlebt haben«, sagte Konoa leise. Sie duftete nach Kokosöl und Strandblüten. »Was wollen sie wirklich? Was ist ihr Ziel? Warum sind sie in unser Meer gekommen?«
    »Ich weiß es nicht, Schönste«, antwortete Heaq. »Sie handeln nicht aus Liebe. Niemand handelt nur aus Liebe. Jeder sucht seinen Vorteil. Welchen Vorteil die Götter suchen – ich vermag es mir nicht vorzustellen. Nie hat einer von denen mit mir geredet.«
    »Und du bist der Klügste und Stärkste von uns allen!«, sagte Konoa und legte den Arm um seine Schultern. Sie presste sich an ihn. »Merkst du, dass sich unsere Welt zum Besseren ändert, seit die Götter unter den Wellen wohnen?«
    »Vieles hat sich geändert, vieles ist leichter geworden. Aber der letzte große Sturm hat ebenso viel zerstört, so viele getötet, wie alle anderen Stürme zuvor.«
    »Das sagen auch die Alten. Nach dem Schlaf bin ich müde. Meine Gedanken sind verwirrt. Geht es dir ebenso?«
    »Nein«, entgegnete er und streichelte ihre Schulter. Die Sonne versank in einem Lichtorkan hinter dem Horizont. »Vielleicht sind wir nicht bereit für die Weisheiten der Götter.«
    »Vielleicht sind ihre Weisheiten zu mächtig für uns?«
    Er hob die Schultern und antwortete: »Zu schwach für das, was die Götter von uns wollen. Verlange von mir keine Antwort.«
    »Ich will nur bei dir bleiben. Es geht mir bei dir besser als allen anderen.«
     
     
    Heaq und Konoa mussten tatenlos zusehen, wie ihre zehn Freunde süchtig wurden. Nach einem halben Jahr holte sie die Blase alle drei Tage zum Schlafen in der Muschel ab. Ihre Stimmungen wechselten schneller als Ebbe und Flut. Sie weinten und rauften sich das Haar oder verbreiteten unerträgliche Heiterkeit. Heaq begann zu verstehen, dass die Menschen für ihre neue Kraft, Größe und Klugheit noch nicht reif genug waren. Reife? Wie erwarb man sie? Weil die unsichtbaren, unhörbaren, wesenlosen Götter aus dem Himmel der Sterne und des Mondes von den Menschen mehr verlangten, als diese zu leisten vermochten, waren die Götter unzufrieden. Heaq wusste dies, obwohl er kein göttliches Wort darüber gehört hatte. Zu schwach für die Aufgabe, Stärke und Wissen in die Welt zu bringen.
    Zeit verging. Monde, fünf Monde, zehn Monde, ein Jahr …
    Von den Zwölf ertrank einer, zwei Frauen wurden wahnsinnig, drei schwammen ins offene Meer hinaus und wurden ertrunken an die Strände gespült, einige alterten so schnell, dass ihre Eltern und Kinder zu Tode erschraken. Die Blase kam

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