Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators
gigantische Mengen von Protonen und Elektronen; dennoch mit bloßem Auge nicht zu sehen und von der Schiffspositronik anhand der Verformung des solaren Magnetfelds hochgerechnet.
In solchen Momenten erinnerte sich der Kommandant an die Worte seines alten Astronomieprofessors an der Universität, die dieser stets benutzt hatte, wenn er ein paar Aufnahmen aus den staatlichen Archiven oder den Datenbanken der Akademie zeigte:
Wenn es einen Gott gibt, dann war er auf jeden Fall dort draußen. Etwas so Vollkommenes, etwas, das unsere großartigsten Vorstellungen so mühelos übertrifft, wäre eines Gottes fraglos würdig.
Adrian war nie besonders gläubig gewesen, doch damals hatte er jedes Mal eine Gänsehaut bekommen. Später, als er die ersten Raumflüge absolvierte und die vielfältigen Wunder der Schöpfung mit eigenen Augen schauen durfte, war dieses Gefühl wieder zurückgekehrt, und wenn ihn das Universum eines gelehrt hatte, dann war es Demut.
»Träumst du?« Elvias leise Stimme ließ ihn zusammenzucken. Er hatte tatsächlich geträumt. Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. Aus den Augenwinkeln bemerkte Adrian, wie sich Darko Loevej und Monique Morizur einen vielsagenden Blick zuwarfen. Der Kommandant hatte aus seinem Verhältnis zu Elvia niemals ein Geheimnis gemacht und benutzte deshalb auch im täglichen Umgang miteinander ganz selbstverständlich das vertrauliche Du. Andere Privilegien genoss die Pilotin allerdings nicht.
»Austritt aus dem Linerraum in drei … zwei … eins … jetzt!«
Der Schlag traf die die EX-856 wie aus heiterem Himmel. Der Hauptbildschirm flackerte, fiel aus und stabilisierte sich kurz darauf wieder. Im gleichen Moment erschütterten mehrere Detonationen das Innere des Raumschiffs.
»Was zur Hölle …«, stieß Adrian Deubtar hervor. Weiter kam er nicht.
Ein Knall. Splitternder Kunststoff. Ein spitzer Schrei, der in einem erstickten Gurgeln endete.
»Chilly!«
Darko Loevej war aus seinem Sessel aufgesprungen und starrte mit vor Schreck geweiteten Augen zur Station der Chefwissenschaftlerin hinüber. Monique Morizur hing leblos in ihrem Sessel. Ihr Gesicht war blutüberströmt. Offenbar war der Bildschirm vor ihr explodiert und der Splitterregen hatte sie voll erwischt.
»Bleiben Sie auf Ihrem Posten, Darko! Ich brauche Sie!«
Die scharfe Ermahnung zeigte sofort Wirkung. Wie die anderen in der Zentrale war auch der Ortungsoffizier ein für Krisensituationen geschulter Spezialist. Loevej ließ sich auf seinen Platz zurückfallen und las die von den Außensensoren gelieferten Werte ab.
»Das ist …«, brachte er heraus, stockte und versuchte es erneut. »So etwas habe ich noch nicht erlebt, Sir. Irgendetwas oder – jemand entzieht uns sämtliche Energie.«
Der Zentralschirm zeigte für wenige Sekunden ein silbriges Netz, das sich um die EX-856 legte. Dann wurde er endgültig schwarz.
»Was ist mit den Schutzschirmen?«, rief Adrian Deubtar. Einer der mobilen Medoroboter, eine ovale, knapp 60 Zentimeter hohe und halb so breite Konstruktion mit sechs flexiblen Tentakelarmen, kümmerte sich bereits um die verletzte Monique Morizur.
»Ausgefallen«, antwortete Thuram Rydberg, der Cheftechniker des Schweren Kreuzers. Seine Arbeitskonsole, auf die er mit beiden Armen in wachsender Verzweiflung einhämmerte, befand sich im hinteren Teil der Zentrale.
»Paratron baut sich nicht auf und der HÜ ist beim ersten Kontakt mit dem Netz zusammengebrochen.«
»Bring uns hier weg, Elvia!«, befahl Adrian. »Sofort!«
»Ich versuche es, aber der Kalup hat sich abgeschaltet, weil er nicht genug Saft bekommt«, verkündete die Pilotin die nächste Hiobsbotschaft. »Gleiches gilt für die Impulstriebwerke. Die hyperstrukturellen Kraftfelder fallen immer wieder in sich zusammen, da die zugeführte Grundleistung unter dem Schwellenwert liegt.«
»Darko«, wandte sich der Kommandant wieder an den Orter. »Reden Sie mit mir! Was ist das da draußen?«
»Keine Ahnung, Sir«, zuckte Loevej die Schultern. »Aber es saugt uns aus wie ein verdammter Vampir. Sämtliche Energieerzeuger auf Hyperbasis haben bereits abgeschaltet. Pegelstände der Speicherbänke fallen rapide. In spätestens dreißig Sekunden sind wir trocken. Ich …«
Ein zweiter Schlag, härter und ungestümer als der erste, ließ die EX-856 erbeben. Kurz darauf folgte ein dritter und vierter. An mehreren Stellen in der Zentrale brachen kleine Brände aus, die von den Löschrobotern jedoch schnell unter Kontrolle gebracht
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