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Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators

Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators

Titel: Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Schäfer
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ihn zu und drehten sich dabei immer schneller. Adrian musste innehalten und sich mit beiden Armen abstützen, um nicht umzufallen.
    »Ist alles in Ordnung, Sir?«, erkundigte sich Darko besorgt.
    »Ja, ja«, nickte Adrian. »Es ist nur … die Aufregung. Tun Sie mir einen Gefallen, Darko. Lassen Sie mich ab jetzt vorangehen.«
    »Natürlich, Sir.«
    Plötzlich schien der Spalt viel zu rasch näher zu kommen. Das da vorn, war die letzte Chance. Die letzte Chance von mehr als hundertfünfzig Gestrandeten. All die Fragen und Selbstzweifel, die ihn in den vergangenen Nächten geplagt hatten, waren auf einmal wieder da. Hätte er den Marsch nicht schon viel früher anordnen müssen? Hätte er nicht schon nach einer, spätestens nach zwei Wochen akzeptieren müssen, dass keine Hilfe kam, dass sie auf Interlude festsaßen und er nicht länger warten durfte? Hätte eine strengere Rationierung der Vorräte den meisten von ihnen nicht genau jene Zeit erkauft, die ihnen jetzt fehlte? Hätte er die Infizierten nicht, wie von Zac Penrose indirekt vorgeschlagen, als hoffnungslose Fälle betrachten, und sie – so kalt und grausam das auch sein mochte – aus der Gemeinschaft ausschließen müssen?
    Außergewöhnliche Situationen erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Irgendwo hatte er das einmal gelesen. Als Offizier der Solaren Flotte und Kommandant eines Explorerraumschiffs musste er darauf vorbereitet sein, Entscheidungen zu treffen, die andere das Leben kosten konnten, doch was wussten die Ausbilder und Psychologen in den Schulungszentren und Trainingscamps schon von der Wirklichkeit? Einen anderen Menschen in den sicheren Tod zu schicken, mochte manchmal die einzig logische Alternative sein, die einzige Möglichkeit, viele andere zu retten, doch wer glaubte, das Geben eines solchen Befehls ließe sich in Simulationen trainieren, der irrte gewaltig.
    Adrian hatte seine Schritte unwillkürlich beschleunigt. Die letzten Meter bis zum Ausgang der Schlucht rannte er beinahe. Hinter ihm forderte ihn Darko Loevej zur Vorsicht auf, doch er nahm den Ortungsoffizier gar nicht mehr bewusst wahr. Außer Atem erreichte er die breite Öffnung im Fels, die ihn hinaus auf ein weiteres Plateau führte. Im ersten Moment glaubte er tatsächlich, Darko und er wären im Kreis gegangen und wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen. Dann aber registrierte sein überreizter Verstand, dass diese Hochebene leer war.
    Der Kommandant ging noch ein paar Meter weiter und blieb schließlich stehen. Vor ihm lag ein riesiges Tal, das auf drei Seiten von Bergen umgeben war. Ein eisiger Wind peitschte ihm die Regentropfen so heftig ins Gesicht, dass sie sich wie winzige Nadeln anfühlten, doch Adrian Deubtar spürte den Schmerz nicht. Er starrte ins Tal hinab, und die Tränen liefen ihm die Wangen herunter. Zum ersten Mal, seit die EX-856 auf Interlude notgelandet war, weinte der Kommandant. Die Dämme, die er Tag für Tag aufs neue in seinem Inneren errichten musste, weil die Verzweiflung und die Angst sie immer wieder hinweg spülten, brachen zusammen. Adrian weinte wie ein kleines Kind, und selbst wenn in diesen Sekunden die Existenz des Universums davon abhängig gewesen wäre, dass er sich wieder beruhigte, so hätte er es nicht gekonnt.
    »Das ist …«, hörte er Darko Loevej neben sich sagen. »Das ist … unglaublich.«
     
     
    Adrian hatte Darko allein zurückgeschickt und ihm aufgetragen, die anderen zu informieren. Er selbst würde später nachkommen, doch im Moment bräuchte er ein paar Minuten Einsamkeit, etwas Zeit, um sich zu sammeln und nachzudenken. Und so stand er einfach nur da und ließ den Anblick des Tals auf sich wirken, das sich unter ihm bis zum Horizont zog.
    Die dichte Wolkendecke war aufgerissen und durch die Lücken fielen die Strahlen der roten Riesensonne auf den gewaltigen See, der wenige hundert Meter vom Fuß der Berge entfernt begann und rechts und links von zwei Wasserfällen gespeist wurde. Das Wasser wurde von einem an seiner Einmündung mindestens fünfzig Meter breiten Fluss aufgenommen, der sich jedoch schnell verengte und in sanften Windungen Richtung Meer floss.
    Am Seeufer wuchs dichtes Gebüsch, eine Strauchart mit dünnen, transparenten Blättern und steinharten Ästen, die hervorragend und lange brannten. Adrian kannte sie bereits, da die Überlebenden solche und ähnliche Gewächse auch auf der Ebene gefunden hatten. Viel bedeutsamer war jedoch der Laubwald, der sich vom Ufer bis tief ins Innere des Tals

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